2001-04-22
Jeder kennt das wohl:
Wenn einmal wieder ein Krimi oder sonst ein Unterhaltungsfilm im Fernsehen
läuft oder einem auch nur ein entsprechendes literarisches 'Werk'
in die Finger fällt, so ist es möglich, nach den Einstiegsszenen
die Geschichte fortzusetzen.
Es stellt sich ziemlich schnell heraus, daß einem spontan ein oder
zwei Handvoll Versionen für das Ende der Geschichte einfallen - und
man kann sicher sein, eine davon wird auch vom Autor realisiert worden
sein, was sich dann auch zeigt, wenn dar Blick dann wirklich auf das
Ende des 'Werkes' fällt.
Es gibt eben sehr viele stereotype Erzählsituationen - und die Autoren solcher Massenunterhaltung und Konsumliteratur leben davon, diese immer wieder und beinahe ohne Überraschungen zu variieren.
In der Literatur der Jahrhunderte sind immer wieder archetypische Themen entdeckt worden, die von da an immer wieder auftreten und gleichsam zum literarischen Erbe der Menschheit geworden sind. Diese Themen werden immer wieder aufgegriffen und in neue Zusammenhänge gestellt, was zu sehr wertvollen Resultaten führen kann.
Diese Beobachtungen legen im Grunde nahe, daß es eigentlich keine
neuen literarischen Ideen zu geben scheint. Dabei wird natürlich
übersehen, daß insbesondere durch naturwissenschaftliche
Forschung und die technische Umsetzung der Ergebnisse immer wieder
ganz neue Themen in die Literatur und die Philosophie hineingetragen
werden.
Im Rahmen der Massenunterhaltungsware werden diese neuen Themen immer nur
eine dekorative Nebenrolle spielen.
Nur wenige originäre Autoren werden es schaffen, wirklich neue
Archetypen daraus zu entwickeln.
Eine Idee, originäre Literatur zu erschaffen, ist nun die
Stereotypen-kombinatorische Methode.
Hierbei werden stereotype Erzählsituationen und archetypische
Themen gleichermaßen genutzt und originell in überraschender
Weise kombiniert, um bislang unentdeckte Gesamterzählsituationen
zu erreichen, die nicht vom Leser von vorne herein prognostiziert
werden können.
Es kommt eben darauf an, nicht auf den ausgetretenen Pfaden zu
bleiben, sondern diese zu wechseln, zu verlassen, zu ergänzen,
um die eigene Geschichte voran zu bringen.
Allerdings sollte dies nicht als listiger Trick, als Spielerei
mißverstanden werden.
Denn wenn diese kombinatorische Methode so benutzt wird, wird sie
zum reinen Selbstzweck und verliert ihren Reiz.
Um originelle Geschichten zu erzählen, kann es sich dabei immer
nur um ein Hilfsmittel handeln, nicht um das zentrale Thema einer
Geschichte selbst.
Ähnlich wie bei Brechts Verfremdungstechniken läßt
sich damit die Erwartungshaltung des Lesers gezielt nutzen, um diesen
zu erwecken, ihn gleichsam durch die Konfrontation der an den
Stereotypen geschulten und gewöhnten Erwartungshaltung mit der
alternativen Kombination zu überraschen.
So kann der Leser gezielt aus seiner passiven Rolle des
über-sich-ergehen-lassens von Stereotypen gelöst werden,
um ihn selbst mitdenken zu lassen, ihn seine eigenen Phantasien
und Interpretationen mit einbringen zu lassen.
Das kann natürlich nicht bei jedem Leser gelingen. Doch jene,
die in der Lage sind, diesem Weg zu folgen, werden viel Vergnügen
daran finden, sich mit der eigentlichen Thematik, der Idee des
Textes selbst auseinanderzusetzen.
So bleibt es natürlich dabei:
Neue Ideen erhält man nicht durch Variation von Stereotypen
oder phantasielosen Aufgriff von Archetypen.
Aber eine originelle Kombination derselben kann sehr wohl hilfreich
sein, eine originelle kreative Idee gekonnt umzusetzen.
Außerdem ist die Realisation und das Resultat dann auch
ein großer Spaß für Autor und Leser.