Alternative Buchvariante (EPUB) mit Graphik
Geschrieben: 2001-02/03
Sie hatten den immer noch bewegungslosen Jonas ins Pfarrhaus in sein Zimmer gebracht, nachdem der Arzt eine erste Untersuchung gemacht hatte. Sein Bett war in die Mitte des Raumes gestellt worden. Die sonst so verschlossene Petra, die öffentlich nie Gefühle zeigte, war völlig aufgelöst. Sie kauerte an der einen Seite des Bettes, drückte Jonas Hand an ihr Gesicht, weinte verzweifelt, während der Arzt ihn abermals untersuchte.
Maria Michaela stand gefaßt, aber doch zitternd und wartete,
die Sekunden schienen sich in ihr zu Ewigkeiten zu dehnen.
Als der Arzt fertig war, folgte sie ihm aus dem Zimmer. Er schaute
ernst, schüttelte langsam den Kopf, sie dürfe sich keine
Vorwürfe machen, es sei nicht ihre Schuld, Jonas sei wirklich
so unglücklich gefallen, damit hätte niemand rechnen
können. Sein Kopf sei so ungünstig gegen den Stein
getroffen, daß er nun in einem Koma liege.
Maria Michaela fragte, was jetzt weiter passiere, wie man Jonas helfen könne. Der Arzt schüttelte verlegen den Kopf, mochte sie nicht anschauen. Sie drängte ihn weiter, ehrlich zu sein. Er meinte schließlich, es bestehe nicht viel Hoffnung in solchen Fällen. Wenn er nicht bald erwache, sei es aus. Es gebe eine geringe Chance, doch wahrscheinlich sei das nicht. Sie schluckte wortlos, schaute ihn mit großen Augen an. Er werde Morgen wiederkommen. Auch wenn sich etwas änderte, sollten sie schnell nach ihm schicken. Der Arzt verabschiedete sich.
Maria Michaela ging zurück in Jonas Zimmer, zur leise wimmernden Petra, die immer noch vor dem Bett kauerte. Maria Michaela kniete sich zu ihr, faßte sanft ihre Schulter, die zusammen mit dem ganzen Leib bebte.
Es mochten dann ein oder zwei Stunden vergangen sein, als Maria Michaela Petra mit leiser Stimme genau erzählte, was passiert war. Sie machte sich dabei Vorwürfe wegen ihrer Unbeherrschtheit. Petra hatte sich umgedreht ohne Jonas Hand loszulassen, schaute sie mit verweinten Augen an, beichtete, daß doch letztlich alles ihre Schuld sei. Sie habe doch gewußt, daß Jonas Interesse an ihr gehabt habe. Sie habe aber nicht geglaubt, daß er Erfolg haben werde. Von Anfang an sei sie davon ausgegangen, daß Maria Michaela Jonas durchschaut habe, daß er niemals ein Gloeckner sei. Sie habe geglaubt, Maria Michaela habe nur ein Spiel mit ihm getrieben, ein Zeitvertreib. Sie habe sie nicht ernst genommen. Es tue ihr so leid. Sie sei es gewesen, die zu Jonas ins Zimmer geschlichen sei, zu ihm ins Bett, obwohl sie von seinem Interesse für Maria Michaela gewußt habe. Aber sie liebe ihn so sehr. Vielleicht habe Jonas in der ersten Nacht sogar geglaubt, es sei ein Traum oder es sei Maria Michaela. Vielleicht habe sie dabei auch nur seine Sehnsucht nach Zärtlichkeit von Maria Michaela ausgenutzt. Später habe er dann zwar sicher gewußt, daß sie es sei, doch letztlich sei immer sie es gewesen, die zu ihm gegangen sei. Vielleicht habe er nur Mitleid mit ihr gehabt.
Maria Michaela widerspricht, wenn Jonas Petra nicht wirklich gemocht hätte, hätte er sich nicht darauf eingelassen, vielleicht habe er ja ihrer Zuneigung auch nicht zu widerstehen vermocht. Doch sei das auch nur damit zu erklären, daß Jonas auch Petra gegenüber große Zuneigung empfunden habe. Sie dürfe aber nicht denken, daß es wirklich ihre Schuld gewesen sei. Sie selbst habe ihn ja wirklich hingehalten, auch das sei ein Fehler gewesen. Sie sollten ihm und sich wegen der Vergangenheit jetzt keine Vorwürfe mehr machen. Nur daß sie die Beherrschung verloren habe, könne sie sich selbst nicht verzeihen.
Petra nahm sie zögernd in den Arm, auch das sei Geschehen
und nicht mehr rückgängig zu machen, schluchzt sie.
Maria Michaela versichert ihr, auch wenn das kein Trost sei, was
auch immer passieren möge, sie werde sie niemals im Stich
lassen, um ihre Zukunft und die des Kindes müsse sie sich
nicht sorgen. Dem Kind werde es nicht schlechter gehen als ihrem
eigenen. Nur was sie Jonas angetan habe, das könne sie nicht
wieder gutmachen.
Vereint in ihrer Verzweiflung um den Geliebten wachten die beiden Frauen die ganze Nacht. Am Morgen war die Lage jedoch noch unverändert. Auch der Arzt konnte nichts neues sagen. Ihre Tränen waren versiegt, aber sie wachten weiter, sich gegenseitig haltend und hoffend, auf den Geliebten schauend, daß er sich wieder bewegen möge...