Alternative Buchvariante (EPUB) mit Graphik
Geschrieben: 2001-02/03
Petra war so aufgeregt wie in der ersten Nacht, als sie wieder zu Jonas ins Zimmer schlich und unter seine Decke kroch. Sie küßten sich und tauschten Zärtlichkeiten aus. Dann flüsterte sie, ihre Stimme versagte fast, sie müsse mit ihm reden. Jonas küßte sie sanft auf die Stirn und ermunterte sie zu sprechen.
Petra war etwas erleichtert, daß der erste Schritt getan war, nie hatten sie sich bei diesen Treffen überhaupt unterhalten. Das hatte ihr auch nie gefehlt. Was hätte sie auch sagen sollen? Ohnehin war sie eher schweigsam, und wenn sie etwas sagte, dann eher knapp und auf den Punkt gebracht. So auch jetzt. Ihr fiel keine große Einleitung ein, nichts um vorzubereiten, was sie zu sagen hatte. Es sprudelte einfach aus ihr heraus, alle Zweifel und Unsicherheit hinter sich lassend, sogar stolz und glücklich sprach sie aus, daß sie schwanger sei.
Jonas zögerte nicht einmal einen Augenblick, umarmte sie schnell und mit einem Male ganz vorsichtig, verteilte Küsse über ihr Gesicht, ihre Busen, ihren Bauchnabel, legte seine Wange auf ihren Bauch. Er hatte ihre anfängliche Unsicherheit bemerkt und versicherte ihr, sie dürfe sich keine Sorgen machen, bestimmt ließe er sie niemals im Stich. Er freue sich auf das Kind.
Petra atmete erleichtert auf, wie konnte sie nur annehmen, daß sie sich nicht auf Jonas verlassen konnte? Wie dumm war sie gewesen, es ihm nicht gleich zu sagen, sondern sich zu sorgen und zu grübeln. Langsam strich ihre Hand durch sein Haar. Als sie später zusammen waren, mußte sie schmunzeln, wie vorsichtig Jonas war, als ob sie plötzlich ganz zerbrechlich wäre, dabei fühlte sie sich stärker als je zuvor, sie hatte ihren Kopf wieder ganz frei und konnte sich ihm ganz hingeben, sie genoß dieses sanfte Liebesspiel ganz besonders, sie war einfach nur glücklich.
Jonas lag noch lange wach, nachdem Petra eingeschlafen war. Er mochte Petra natürlich und die Nachricht von dem Kind erfreute ihn. Bislang hatte er noch nicht darüber nachdenken müssen, wie es ist, Vater zu sein. Nun war er freudig gespannt auf die Zukunft. es würde sich alles ändern, er würde sich gemeinsam mit Petra um das Kind kümmern. Er wollte sich dieser neuen Aufgabe in seinem Leben mit Begeisterung stellen.
Aber er geriet auch ins Grübeln, wie es mit Maria Michaela weitergehen sollte. Denn zwar kam es für ihn nicht in Frage, Petra im Stich zu lassen, aber auch Maria Michaela wollte er auf keinen Fall aufgeben, zu kostbar war auch diese ihm geworden. Keiner der beiden Frauen wollte er weh tun, keine zugunsten der anderen verlassen. Doch durch Petras Schwangerschaft war er zum Handeln gezwungen.
Er mußte Maria Michaela die Wahrheit sagen, aber so, daß er sie nicht verlor, sie nicht verletzte. Er hatte aber keine Ahnung, wie er das anstellen sollte. Zwar unterhielten sie sich so viel miteinander, theoretisierten und philosophierten, ungezwungen über jedes Thema, doch wann und wie er ihr das beibringen sollte, war ihm ein Rätsel.
Auch den ganzen Tag über machte er sich Gedanken, aber es wollte ihm nichts einfallen, wie er sich aus dieser Klemme wieder befreien könnte.
Es kam ihm in den Sinn, wie gut Petra es hinbekommen hatte, das Gespräch anzufangen. In ihrer praktischen Art hatte sie einfach geradeheraus und ohne Umschweife gesagt, was sie wollte und hatte erreicht was sie wollte. Zwar hatte er gespürt, wie aufgeregt und unsicher sie anfangs war, dann aber auch wie glücklich und erleichtert, als alles geklärt war.
Es half alles nichts. Er mußte Maria Michaela alles erzählen, ohne Schwindel, ohne Beschwichtigungen, wie immer sie auch reagieren mochte. War er nicht an allem schuld? Hätte er sich nicht entscheiden müssen, als Petra das erste Mal zu ihm kam? Hätte er da nicht widerstehen müssen? Sie vielleicht wie eine Schwester mit Liebeskummer in den Arm nehmen statt ihr Geliebter zu werden? Und als er das schon nicht gekonnt hatte, hätte seine Zuneigung zu Maria Michaela dann nicht platonisch bleiben müssen? Er mußte von Sinnen gewesen sein, um in solche Schwierigkeiten zu geraten. Sonst brauchte er doch immer seinen Verstand, galt als kühler Denker, nicht als Draufgänger. Es war der reine Hohn - schon mit nur einer der beiden Frauen wäre er glücklich gewesen. Hatte er nicht alles falsch gemacht? Trug er nicht die Verantwortung für beide Frauen? Was hatte er getan? Und doch, es war auch ihre Entscheidung gewesen, sich mit ihm einzulassen, doch das minderte nicht seine eigene Verantwortung für sein eigenes Verhalten. Jeder von ihnen hatte seinen Teil zu tragen. Er schämte sich für seinen Teil - und es war das erste Mal, daß er sich wirklich für etwas schämte. Er mußte zu seinen Taten stehen.