Alternative Buchvariante (EPUB) mit Graphik
Geschrieben: 2015-07-15/08-03
Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die hatten nur eine einzige Tochter. Nun begab es sich aber, daß die Frau krank wurde, und weil es von Tag zu Tag schlimmer mit ihr wurde und sie endlich fühlte, daß ihre Sterbestunde gekommen war, rief sie ihr Kind zu sich ans Bett und gab ihm einen Ring von ihrem Finger und sprach: "Den trage zu meinem Andenken und hebe ihn wohl auf."
Danach legte sie sich und starb; und noch war kein Jahr seitdem vergangen, da nahm sich der Mann eine andere Frau. Sie war aber gar nicht gut gegen das Kind; das Mädchen durfte nie mit in die Stube kommen, sondern mußte immer auf der Diele beim Herde sitzen, und als einmal die Stiefmutter den schönen goldenen Ring an ihrem Finger sah, fing sie an zu schelten und bedrohte das Mädchen. "Ich sollte dir den teuren Ring eigentlich wegnehmen", sagte sie; "aber das sage ich dir, verlierst du ihn, so prügele ich dich, daß du schwarz wirst."
Nun mußte das arme Mädchen alle Tage Wasser schleppen, und als sie auch einmal wieder die Brunnenstange anfaßte, um den schweren Eimer in die Höhe zu ziehen, glitt ihr der Ring vom Finger und fiel in den tiefen Brunnen hinein. Darüber fing sie bitterlich zu weinen an.
Mit dem, so kam ein Laubfröschlein im Grase dahergehüpft, fing an zu sprechen und fragte:
"Was fehlt dir denn, du wackeres Mädchen, daß du so bitterlich weinst?
Das sage mir, so will ich sehen, ob ich dir helfen kann."
"Ach Fröschlein!" sprach das Mädchen, "du kannst mir doch nicht helfen.
Ich habe meiner Mutter ihren goldenen Ring in den Brunnen fallenlassen, und wenn das meine Stiefmutter erfährt,
so werde ich gewiß Schläge kriegen."
"Sei nur still und laß dein Weinen sein," sprach das Fröschlein;
"wenn ich diese Nacht bei dir in deinem Bettlein schlafen soll, so will ich dir den Ring wohl wiederholen."
"Ach ja liebes Fröschlein," sprach das Mädchen, "ich will ja gerne alles tun was du verlangst,
wenn ich nur mein goldenes Ringlein wiederkriege!"
Sprach das Fröschlein: "So setze mich in den Wassereimer und laß mich in den Brunnen hinab,
daß ich dir dein goldenes Ringlein wiederhole."
Da setzte das Mädchen den Laubfrosch in den Eimer und ließ ihn in den Brunnen hinab, da tauchte er unter und kam bald wieder angeschwommen mit dem Ringlein in seinem Maule. Das Mädchen zog ihn wieder herauf, nahm den Ring, steckte ihn voller Freuden an ihren Finger und ging ins Haus und dachte nicht mehr an das Laubfröschlein und was es ihm hatte versprechen müssen.
Des Abends aber, da das Mädchen wieder wie immer auf der Hausflur beim Herde saß und spann, klopfte mit einmal was an die Seitentür und rief: "Wackeres Mädchen, wackeres Mädchen! was du versprochen hast, mußt du auch halten; setze mich in dein Haus."
Das Mädchen machte die Tür auf und erschrak ordentlich, denn davor saß das Laubfröschlein. Erst wollte das Mädchen die Tür wieder zuschlagen; weil es aber an sein Versprechen dachte, und daß ihm der Frosch wieder zu seinem Ringe verholfen hatte, setzte es ihn in ihr Haus herein. Der Frosch hüpfte nun mit an den Herd und sah zu, wie das Mädchen spann.
Nachdem, da es Zeit war, schlafen zu gehen, ging das Mädchen in ihre Kammer, zog die Tür hinter sich zu und ließ das Fröschlein draußen sitzen. Da klopfte es an die Kammertür und rief: "Wackeres Mädchen, wackeres Mädchen! Was du versprochen hast, mußt du auch halten! Setze mich in deine Kammer." Das Mädchen hätte lieber das Fröschlein draußen gelassen, aber es dachte daran, was es ihm am Brunnen versprochen hatte, nahm es und setzte es in seine Kammer.
Nun zog das Mädchen sein Nachtzeug an, löschte das Licht und legte sich zu Bett und meinte, das Fröschlein würde nun wohl zufrieden sein. Aber nein! Es wollte auch bei dem Mädchen im Bette schlafen und rief: "Wackeres Mädchen, wackeres Mädchen! Was du versprochen hast, mußt du auch halten! Setze mich in dein Bett." Da nahm das Mädchen das Fröschlein auch noch zu sich ins Bett und sprach: "So! Nun sei aber auch hübsch still, sonst muß ich dich wieder hinaussetzen." Bald danach, weil das Fröschlein ganz stille war, schlief das Mädchen ein.
Den andern Morgen aber, als es aufwachte und sich nach dem Fröschlein umsah, war kein Fröschlein mehr da, sondern lag da ein wunderhübscher junger Prinz im Bette, der lachte das Mädchen freundlich an, küßte es und sprach: "Ich danke dir, daß du mich erlöst hast. Mein Großvater hatte mich in einen Laubfrosch verwünscht, und nicht eher konnte ich wieder eine menschliche Gestalt annehmen, bis mich ein Mädchen freiwillig mit in sein Bett nahm."
Noch denselben Tag zog nun der Prinz mit dem Mädchen fort in sein Königreich und nahm sie zu seiner Frau und sie hatte es gut bei ihm bis an ihr Ende.