Alternative Buchvariante (EPUB) mit Graphik
Geschrieben: 2015-07-15/08-03
Sie kamen recht gut voran, waren der Grenze zu Bractland schon recht nahe gekommen. Leider wurde es hier etwas unübersichtlicher und mögliche Angreifer konnten sich hier leichter nahe dem Weg verbergen. Aber der Ritter hatte im Zorn über seine Niederlage und Schmach wohl gute Arbeit geleistet und wirklich die meisten Halunken eingeschüchtert und vertrieben. So fügte sich dieses unerfreuliche Kapitel doch noch irgendwie zu ihrem Vorteil.
Sie rasteten an einer recht übersichtlichen Stelle unter einem Baum im Schatten, durstig tranken die Pferde an einem kleinen Bach. Sie saßen einfach im Gras und aßen von ihrem Proviant. Es war ein weiterer, warmer, sonniger Tag und in der Mittagszeit schwitzten sie nun schon erheblich. Die Reise und die Wärme machten sie wohl auch etwas unaufmerksam und müde. So langen sie recht entspannt im Gras, Paul hatte seinen Kopf auf Gundulas Schoß gelegt und diese strich ihm zart durchs Haar.
Und dann passierte es: Ein recht wild aussehender Kerl sprang von irgendwo hervor und bedrohte sie mit einer allerdings
recht alten Pistole, von der man nicht wissen konnte, auf welcher Seite des Laufes sie mehr Schaden anrichten konnte,
denn man hatte nicht wirklich Vertrauen dazu, daß sie wie ursprünglich gedacht funktionieren würde.
Trotzdem war die Lage ernst, man sollte seine Gegner nie unterschätzen.
Der Kerl forderte seiner Rolle gemäß Geld oder Leben und nach einen Blick auf Gundula kamen vermutlich auch noch andere
Begehrlichkeiten auf. Paul und Gundula standen auf, wobei sich Paul schützend vor Gundula stellte.
Der Kerl sah, daß sie bewaffnet waren, forderte so böse mit der Waffe fuchtelnd, daß sie die Hände heben sollten.
Das taten sie. Immerhin, der Kerl schien allein zu sein.
Noch einmal forderte er Geld.
Paul riskierte es, darauf einzusteigen und gab zu überlegen: "Also mit erhobenen Händen komme ich nicht an meinen Geldbeutel.
Also solltest du dich entscheiden, Hände hoch oder Geld her? Hmm, du könntest auch herantreten und den Beutel aus meiner
Jacke dort am Boden nehmen!" Dabei deutete er auf seine Jacke, die er ordentlich auf der Wiese abgelegt hatte.
Der Kerl wirkte unentschlossen und fragte: "Willst du mich hereinlegen?"
Und er war sich offenbar nicht einmal bewußt, welchen Unsinn er da fragte.
Welche Vertrauenswürdigkeit konnte eine Antwort haben und welchen Erkenntniswert?
Natürlich würden sie ihn hereinlegen, wenn sie Gelegenheit dazu bekämen.
Und natürlich würden sie die Frage ganz unbedenklich und harmlos mit "Nein" beantworten.
Paul sprach ganz ernst: "Aber mein Herr, unter Ehrenmännern käme ich doch niemals auf die Idee, ihnen zu nahe zu treten.
Wir sollten das unter Ehrenmännern abhandeln, auch um die Nerven meiner Frau zu schonen, nehmen sie bitte all unser Geld
und Gold aus dem Beutel in meiner Jacke, doch verschonen sie bitte meine liebe Frau!"
Gundula blieb gut in ihrer Rolle und begann nun erbärmlich zu weinen und zu schluchzen, schlug die Hände vor das Gesicht,
tat einen Schritt zur Seite, seitlich weg von Paul und jammerte und flehte in einem fort, daß sie plötzlich zwei Ziele
boten, die der Räuber beobachten mußte. Wie durch Zufall war ihr Hut zu Boden gefallen und wie von selbst war
plötzlich ihre ganze wallende Haarpracht hervorgequollen.
Der Räuber starrte verwirrt auf die prachtvolle, jammernde Frau, war abgelenkt, was wiederum Paul unmittelbar
nutzte, um ein paar Schritte vorzugehen, dem Räuber die Pistole zu jener Seite zu schlagen, wo weder Gundula noch die
Pferde standen.
Schlagartig war Gundula auch herbeigeeilt wie sie schlagartig mit dem Jammern aufgehört hatte, stattdessen hatte sie
dem Räuber einfach einen kräftigen Tritt zwischen die Beine verpaßt, daß dieser sich schreiend am Boden kugelte.
Sie nickte Paul zu: "Ein gutes Konzept das mit Mann und treuem, zarten, hilflosen Weib, es funktioniert!"
Sie stieß den Räuber noch einmal mit dem Fuß gegen die Schulter, daß dieser umkippte, stemmte sich ähnlich wie
beim Ritter beherzt mit einem Knie in sein Kreuz und mit dem anderen auf den Oberarm.
Der Räuber konnte nicht entscheiden, welcher Schmerz der größere war, zumal sie nun auch noch den anderen Arm herumdrehte.
Auch Paul trat vorsichtig heran, außer Reichweite der noch angezogenen Beine und entwaffnete den Räuber nun komplett,
denn er hatte noch einen Dolch am Gürtel befestigt.
Gundula schlug vor: "Nimm ihm den ganzen Gürtel ab und trenn die Hose auf, auch die Unterhose.
Und auch wenn es etwas unappetitlich ist, nimm ihm die Schuhe ab und werf sie in den Bach, abwärts, wo die Pferde nicht
trinken und die Strömung groß ist."
Paul fragte nicht einmal nach, setzte den Vorschlag einfach um.
Paul sammelte auch gleich die Waffen ein, um es dem Räuber zu erleichtern, sich anderen Beschäftigungen zu widmen.
Gundula blieb einstweilen auf dem nun wehrlosen Räuber knien, während Paul schon all ihre Sachen zusammenpackte und
die Pferde für den schnellen Aufbruch bereitmachte.
Als alles bereit war und Paul schon auf seinem Pferd saß, kniete sie sich noch einmal richtig rein,
was der Räuber mit entsetzlichem Geschrei quittierte, sie aber stieß sich so blitzschnell von ihm ab und war mit einem
Satz auf ihrem Pferd und sie preschten los ohne sich noch einmal umzusehen.
Als sie ein ganzes Stück weg waren, hielten sie kurz, Gundula ordnete ganz ruhig ihre Haare, steckte sie wieder hoch
und verbarg sie wieder unter dem Hut, den Paul auch aufgesammelt hatte.
Dann lächelte sie Paul an, als hätte sie der Vorfall gar nicht bewegt: "Da haben wir gut zusammengearbeitet, das Konzept geht wirklich auf, mein geliebter Mann!"
Paul kam dicht zu ihr heran, sie beugte sich zueinander und gaben sich einen kurzen, scheuen Kuß,
ganz wie ein einfaches Paar, welches dies normaler Weise auf weiter Flur einfach nicht machte, dann ging es weiter.
Paul jedenfalls war immer noch verblüfft über ihr schauspielerisches Talent, nicht so sehr über ihre geschickten, schnellen
Bewegungen und ihre fast animalische Aggressivität, mit denen er bereits gerechnet hatte.
Er war recht froh, auf dieser Reise sein treues, zartes und folgsames Weib zur Seite zu haben, ohne welche allerdings die Reise
nicht notwendig gewesen wäre.
Sie ritten bereits mehrere Stunden, nun in einem recht unübersichtlichen Gebiet. Paul hatte in einem Gebüsch aber wirklich irgendetwas blinken gesehen und nickte der neben ihm reitenden Gundula nur unauffällig zu, die nickte kaum merklich zurück, schaute genauer, hatte aber nichts gesehen, war aber gewarnt. Ausweichen konnten sie hier schlecht, die Büsche standen recht dicht am Weg. Und dann sprang auch schon der Strauchdieb aus seinem Hinterhalt hervor und fuchtelte wild mit einem Ding, was einmal ein Schwert gewesen sein mochte, dann aber wohl über längere Zeit vielleicht irgendwo als Zaunpfahl gedient haben mochte. Er brüllte wie ein Irrer etwas von Überfall, was sie ohnehin bereits geahnt hatten. Zwei an einen Tag! Und wieder ein Einzeltäter offenbar.
Die Pferde jedenfalls hatten sich etwas erschrocken, was Gundula gleich nutzte. Sie stieß einen entsetzten Schrei aus, ließ ihr Pferd steigen, daß ihr der Hut vom Kopf fiel. Sie ließ es aussehen, als würde ihr Pferd durchgehen, schoß damit ziemlich schnell den Weg entlang und auf den verdutzten Räuber zu, der erschrocken und verblüfft gerade so zur Seite sprang, was ihm aber nur teilweise etwas nutzte, weil Gundula den Schwung der Bewegung nutzte und mit dem Fuß gegen seine Brust stieß, daß der Räuber ächzend in einen Busch flog, sein Schwertprügel aber ein ganzes Stück weg ins Unterholz.
Während Gundula das Pferd noch auslaufen ließ und Paul mit der Hand signalisierte, daß alles in Ordnung sei,
stieg dieser vom Pferd, nahm seine Pistole hervor und näherte sich vorsichtig dem Strauchdieb, der
sich zwar einen Strauch gegriffen hatte, damit aber offenbar nicht loskam.
Paul stellte sich etwas seitlich auf, immer noch vorsichtig, um wenig Angriffsfläche zu bieten und sprach:
"Bitte aufstehen und die Hände erheben, mein Herr!"
Der Herr Strauchdieb hatte etwas Mühe, dem Folge zu leisten, vermutlich waren ein paar Rippen angeknackst.
Inzwischen war Gundula auch da und stieg von ihrem Pferd.
Sorgfältig darauf achtend, nicht in Pauls Schußbahn zu kommen, zog sie auch die Pistole, aber auch ihr
Jagdmesser. Als der Strauchdieb endlich in stark gekrümmter Haltung mehr oder weniger stand, zögerte sie nicht,
trat vorsichtig heran, hob mit ihrem Messer eines des Strauchdiebes aus seiner Halterung.
Paul wies den Dieb an, sich langsam zu drehen.
Dieser tat das etwas widerwillig, was Gundula mit einem Tritt an das Schienbein quittierte.
Schmerzverzerrt knickte der Dieb nun ein.
Gundula inspizierte vorsichtig weiter.
Dann bat sie ganz höflich, daß der Herr doch bitte die Schuhe ausziehen möge, wo er sich schon einmal gebückt habe.
Der Herr Strauchdieb ahnte, daß es besser wäre, der Bitte Folge zu leisten, wollte er nicht noch eine weitere
Mißhandlung durch die Dame erdulden. So setzte er sich mühsam und zog die Schuhe aus.
Gundula deutete an, wo er sie hinwerfen sollte.
Praktischer Weise hatte der Strauchdieb auch einen Sack dabei der neben dem Busch lag, in welchen sie ihn zuvor
gestoßen hatte, den sich Gundula nun genauer ansah.
Sie erteilte Paul die Auskunft: "Och, der Sack hat heute noch keine Beute. Ich ändere das dann mal!"
Wobei sie auch schon den Schwertprügel einsammelte, das Messer und mit spitzen Fingern auch die Schuhe.
Aber sie war mit dem Herren Strauchdieb noch nicht so ganz fertig, welchen sie nun wieder aufforderte,
aufzustehen.
So schnell er konnte, kam der Herr Strauchdieb der Aufforderung nach.
Jetzt forderte sie auch noch die Hosenträger in den Sack.
Der Herr Strauchdieb zögerte nur einem Moment, schon traf ihn wieder ein Tritt, diesmal seitlich gegen das Bein,
was recht arg war, weil das Bein in der Richtung nicht einmal wegknicken konnte. Immerhin hatte Gundula nicht
so fest getreten, daß es gleich gebrochen war. Doch das reichte, damit der Strauchdieb ein unterhaltsames,
aber unfreiwilliges Tänzchen aufführte, daß Gundula ein paar Schritte zurücksprang,
bis dieser sich wieder halbwegs beruhigt hatte.
Ruhig bat sie erneut um die Hosenträger.
Als die im Sack waren, folgte auch noch die Hose und gar die Unterhose ohne weiteren Widerstand.
Verschämt zog der Strauchdieb vor der Dame sein Unterhemd herunter, um seine Blöße zu bedecken.
Er wollte unbedingt vermeiden, daß sie Ideen bekam, wohin sie eventuell beim nächsten Mißverständnis treten könnte.
Gundula nickte nur langsam und meinte zu diesem: "Da hast du ganz schön in den Sack gehauen!
Hast du nicht gewußt, was für Gesindel sich derzeit in der Gegend hier herumtreibt?
Das sollte dir eine Lehre sein, dich hier nicht mehr herumzutreiben.
Es ist gefährlich hier! So schnell ist man ausgeraubt oder zusammengetreten!"
Der Strauchdieb sah Gundula nur mit offenem Mund und daher auch wortlos an.
Gundula wies mit dem Dolch auf eine Lücke im Buschwerk:
"Da lang, nun aber schnell, sonst werde ich noch böse!"
Keinesfalls wollte der Strauchdieb erfahren, was passieren mochte, wenn die Dame mit dem Jagdmesser, der Pistole
und dem ruhigen Begleiter auch noch böse wurde.
Bis eben hatte er gedacht, daß sie bereits schlechte Laune habe.
Daß sie das offenbar nicht so sah, beunruhigte ihn nun in erheblichem Maße und er nahm kurzerhand die
vorgeschlagene Richtung und rannte, als ob ein menschenfressendes Ungeheuer hinter ihm her sei,
obgleich lediglich Paul noch hinter ihm herguckte, während Gundula bereits ihre Waffen einsteckte.
Sie ging und holte ihren Hut, steckte die Haare wieder darunter, schwang sich auf ihr Pferd:
"Paul, komm! Er ist doch weg?"
Paul nickte, steckte auch seine Waffe weg und stieg ebenfalls auf:
"Wir sollten nicht länger trödeln und sehen, daß wir vorankommen. Auch wenn es ja immer interessant ist, sich einmal
mit dem gemeinen Strauchdieb auseinanderzusetzen und auf diesen und seine Probleme einzugehen, müssen wir doch
auch sehen, daß wir wie geplant unsere Unterkunft für die Nacht erreichen. In der Stadt, wo auch Bruno seine
Reisegesellschaft untergebracht hatte, sollten wir gut unterkommen, wobei die hoffentlich bereits weg sind!"
Gundula nickte: "Gut, vielleicht war ich etwas gemeiner als der Strauchdieb,
aber er hat auch mit seinem Gefuchtel und Geschrei mein Pferd erschreckt, was sollte ich machen?"
Paul lächelte und war erleichtert, daß sie die Angelegenheit bislang so locker und sportlich nahm.
Und so ritten sie etwas zügiger weiter, darauf hoffend, nicht erneut aufgehalten zu werden.
Der Eindruck verstärkte sich jedenfalls, daß der Ritter von Drachenfels in seinem Zorn nur dumme Trottel zurückgelassen hatte, alle anderen schienen zum Glück erst einmal geflohen zu sein. Dennoch, auch oder gerade ein Trottel konnte Dinge tun, die schwer vorherzusagen waren. So waren sie sehr froh, keinem weiteren zu begegnen und ritten nun recht schnell, auch in der Hoffnung, daß sie an potentiellen Trotteln schneller vorbei sein würde, als diesen zu Bewußtsein kam, daß sie schon vorbei waren.
Unterschätzen wollten sie keinen Gegner und lange ließ sich das schnelle Tempo auch nicht durchhalten, aber so weit war es auch nicht mehr und bald waren sie wirklich in der Stadt. Die hatte immerhin eine solide Stadtbegrenzung in Form eines massiven Holzzauns und Wachen an den Toren, welche die beiden gut gekleideten Reiter aber ohne Rückfrage passieren ließen.