Donnerstag: 2 Vorlesungen von 9 c.t. bis 12:30, ich kann wieder zuhören. Zwischen Mittagessen und der dritten Vorlesung ab 14 c.t. mit anschließender Übung bleibt wieder Zeit zum Nachdenken in der TIB. Aus dem Physik/Mathematiklesesaal Blick nach draußen.
Eine groteske Idee:
Die Tat nur als Auftakt. Ich als Rächer,
dabei schaue ich durch Fenster und Baum auf
regengrauen Himmel: Man könnte irgendwo,
in einer anderen Stadt eine Armbrust kaufen,
zum Zielen, was heute schon finanzierbar ist,
wäre ein kompakter Laser geeignet.
Schwieriger ist dann schon die Justierung des
Lasers, aber nicht unmöglich, Wegen
Gravitation und Luftreibung wäre beim Ziel
eine Korrektur zu berücksichtigen, von der
überprüft werden muß, bis zu
welchen Abständen sie mit freiem Auge
durch Schätzung berücksichtigt
werden kann. Dazu ist ein Meßprogramm
aufzustellen und durchzuführen; man
erhält dann die Abweichung zwischen
justiertem Laserziel und tatsächlichem
Auftreffpunkt als Funktion der horizontalen
Entfernung zwischen Abschußstelle und Ziel:
Wird der Bolzen in der x-z-Ebene abgeschossen
(x als horizontale Entfernung, die z-Richtung als
Richtung der Gravitation , der Nullpunkt des
Koordinatensystems an der Abschußstelle)
und ist z0 der Zielort des Lasers (dabei wird
natürlich der Strahlkrümmung im
Gravitationsfeld vernachlässigt, ebenso wie
die Krümmung der Erdoberfläche) so
ist für typische Entfernungen und
Abschußwinkel als tatsächlicher
Auftreffpunkt offenbar anzunehmen
(Taylorentwicklung): z(x) = z0 + ax + bx2 + ... .
Zur Ermittlung der Konstanten ist das
Meßprogramm durchzuführen: z(x) wird
experimentell für einige x und dem
Abschußwinkel gegenüber der
Horizontalen als zu variierendem Parameter
bestimmt, aus den jeweiligen Ausgleichskurven
werden die die Konstanten a und b bestimmt.
(x.0 , z.0)
ist die Startgeschwindigkeit des
Bolzens(der Betrag ist zusätzlich aus der
Beziehung z0 = z.0x/x.0
und dem
Abschußwinkel zu bestimmen). Kleine z. sind
Voraussetzung für brauchbare Resultate.
Für den praktischen Gebrauch kann z(x)
für den jeweiligen Abschußwinkel als
gute Abschätzung benutzt werden. Ein
theoretischer Ansatz (punktförmiger Bolzen)
r.. = ge + sr.
(die fetten Buchstaben als
Vektoren, e als Einheitsvektor in z-Richtung, g
als Schwerebeschleunigung) kann geschlossen
gelöst werden und als Vergleich für
das tatsächliche Verhalten herangezogen
werden.
Praktische Ausführung:
Kauf von Armbrust, Bolzen, Laser, Tasche zum
Transport mit Handschuhen in einer anderen
Stadt. Hier dann Jagd in der Nacht auf
Stiefelmänner. Ein Laserpunkt auf der Stirn
des Stiefelmannes (da Abweichungen immer nach
unten auftreten): Sein Ende. Was man schon
gesehen hat: Wie ein aus einer Armbrust
abgefeuerter Bolzen in eine Melone
einschlägt und sie zum Zerplatzen bringt.
Die Wirkung auf einen Kopf soll ähnlich
sein. Anschließend Verwahrung der in der
Tasche verstauten Armbrust in einem
Schließfach bis zur nächsten Jagd.
Die Überlegungen werden verworfen, nicht daß ich definitiv feststellen würde, sie hätten nicht irgendwie verdient, was niemandem zu tun erlaubt ist, vielmehr scheint mir, ich muß mir das nicht antun, die eine Tat, spontan ausgeführt ist schon zuviel. Der geplante Tod nicht meine Sache. Ich gehe zur Vorlesung mit anschließender Übung, danach fahre ich mit der Üstra heim: Computerspiele, dabei höre ich Radio. Was makaber ist: Rod Stewart singt "the first cut is the deepest". Ich muß lachen: Es wird kaum weitergehen und der erste bleibt zudem noch unbestimmt als Möglichkeit meiner Vergangenheit. Ich setze "I don't care anymore" von Phil Collins von einer Cassette dagegen. Ich verkneife mir auch, "the knife" von Genesis zu spielen. Ein Einhorn jagt den High-Score bis in die Nacht.
Am Freitag schlafe ich lange, nach dem Frühstück dusche ich. Computerspiele bis zum Mittag, dann essen in der Mensa, ab 14 c.t. ein Seminar. Danach warte ich auf den Abend; ich lese in der TIB zwei Artikel in Fachzeitschriften nach.
Mein endgültiger Entschluß zur
Interpretation der Tatnacht; die offizielle Version:
Nach dem Lösungsversuch des
Übungszettels mit dem Kommilitonen trete
ich in der Nacht von Freitag zum Samstag auf
die menschenleere Straße. Ich gehe zur
Straßenbahn, fahre nach Hause. Es gibt in
meiner Interpretation dieser Nacht keinen
Passanten, keine Stiefelmänner. Der
Zeitpunkt, an dem ich das Haus verließ, ist
mir nicht bekannt, dabei kann ich mich darauf
verlassen, daß dieser auch dem
Studienkollegen nicht bekannt ist, der
vergißt selbst wichtige Dinge in
atemberaubend kurzer Zeit. Ich muß K.
nicht mein Leben beichten. Anekdoten aus
meiner Version meiner Vergangenheit
können ausgewählt werden. Da sie
nichts von der Bedeutung jener Nacht weiß,
wird sie nicht danach fragen, so muß ich
nichts davon erzählen. Es gibt keine
Wahrheit in der Vergangenheit, der Geschichte.
Es gibt nicht einmal irgendetwas, was als Beweis
für die Wahrheit jener Nacht herhalten
könnte. Was bleiben wird: Verschiedene
Versionen bei verschiedenen Personen. Vielleicht
war ich da aber wirklich allein in jener Nacht,
es ist nichts passiert, was K. zu erzählen
wäre. Diese Nacht steht mit der folgenden
in keinerlei Verbindung, daher auch keinerlei
Notwendigkeit zum Erzählen irgendeiner
Story, von der ich selbst nicht weiß, in
welcher Version sie darzustellen ist. Die Sache
ist erledigt! Die Vergangenheit wird
verdrängt, K. wird ohnehin heute eher die
Zukunft ins Auge fassen wollen.