Alternative Buchvariante (EPUB) mit Graphik
Geschrieben: 2001-02/03
Sie waren noch viel zu weit von der Stadt entfernt, die sie sich zum
Ziel gesetzt hatten, als es bereits dämmerte. Zwei Stunden
früher hätten sie vielleicht in einem Bauernhof übernachten
können, doch im Gespräch vertieft waren sie weitergelaufen.
Immerhin hatten sie Glück und entdeckten dann doch noch einen alten
Schuppen ein Stück vom Weg entfernt, bevor es ganz dunkel war. Dort
teilten sie ihre mageren Vorräte, übernachteten und brachen am
Morgen wieder früh auf. Erst am frühen Nachmittag erreichten sie
dann die Stadt und kehrte in einem Wirtshaus ein.
Maria Michaela hatte Glück, bei ihrer Unterhaltung mit dem Wirt über das Woher und Wohin, kam sie wieder darauf zu sprechen, daß sie ja versuchen könnte, als Lehrerin oder Gesellschafterin einer jungen Dame den Sommer zu verbringen - wenn nicht hier dann auch in einer anderen Stadt, so lange sei sie ja noch nicht unterwegs, daß sie des Wanderns schon müde sei.
Ein wohlhabender Kaufmann hörte das wohl, kam mit ihnen ins Gespräch, wegen seiner Tochter, die wohl etwas Unterstützung und Gesellschaft brauchen konnte, die über die Möglichkeiten der Stadt hinaus gehe. Sie solle einmal die Chance haben, durch Heirat in bessere Gesellschaft zu kommen und müsse darauf natürlich vorbereitet werden, um angemessen guten Umgang pflegen zu können und auch vom Wissen und Ausdruck her mithalten zu können. Ob sie da helfen könne, ob sie mit solchen Kreisen vertraut sei und kompetent, die Tochter auch zum Lernen zu motivieren? Maria Michaela versicherte lächelnd, auf jeden Fall sei sie mit dem Benehmen in jenen besseren Kreisen vertraut, auch sei sie durchaus in der Lage, Wissen zu vermitteln, mit dem eine Frau dort und auch sonstwo selbständig über die Runden kommen sollte. Wie das mit der Motivation stehe, das liege allerdings auch an seiner Tochter. Auch sollten sie genauer umreißen, was ihr bislang hier an der Schule fehle und wo ihr da zu helfen sei und was sie darüber hinaus wissen sollte. Selbst wenn sie dann nicht einen jener edlen Herren für sich gewinnen sollte, könne sie sicher von manchem profitieren, was sie an Wissenswertem anzubieten habe. Dabei lächelte sie vergnügt und etwas geheimnisvoll, doch vermochte nur Jonas das richtig zu deuten, ließ sich jedoch nichts anmerken.
Maria Michaela einigte sich mit dem Kaufmann, jene Tochter Laura zu besuchen und sich dann mit der ganzen Familie zu entscheiden, je nach dem, wie sie miteinander zurecht kämen.
Sie hatten sich inzwischen an einen Tisch gesetzt und der Kaufmann hatte Getränke ausgegeben und unterhielt sich nun mit den beiden, wohl auch um selbst einen Eindruck zu gewinnen, ob Maria Michaela die richtige für sein Anliegen sei. Natürlich glänzte diese mit ihren Fähigkeiten, so daß der Kaufmann überzeugt davon war, hier einen glücklichen Griff zu tun.
Mit verschmitztem Lächeln kam Maria Michaela dann auf Jonas Vorhaben zu sprechen und machte diesen darauf aufmerksam, daß sie in dieser Stadt ja eine prächtige Kirche hätten, schon von weitem hätten sie die Mittagsglocken gehört - es wäre doch prima, wenn auch er hier für einige Zeit unterkommen könne, so müßten sich ihre Wege nicht trennen, was sie sehr freuen würde - mit so einem aufmerksamen und kompetenten Gesprächspartner sei ihr Sommer dann perfekt.
Sie redete natürlich so überzeugend weiter, zog auch den Kaufmann hinzu, der ebenfalls das gut ausgestattete Glockenspiel seiner Heimatstadt lobte und Jonas zuredete, es zu versuchen, daß Jonas nichts weiter übrig blieb, als zuzusagen, einen Versuch zu machen.
Sie verabredeten sich wieder zum Abend in dem Wirtshaus. Maria Michaela setzte noch schmunzelnd nach, sie sei ja schon so gespannt, wann sie das erste Mal seiner Kunst lauschen dürfe.
Da es ohnehin nur ein kurzer Umweg war, begleitete Jonas Maria Michaela und den Kaufmann zu dessen Haus. Die Frau des Kaufmanns und Laura waren im Garten. Der Kaufmann stellte Maria Michaela und Jonas kurz vor, letzterer verabschiedete sich aber schnell wieder, als Maria Michaela ihn noch kurz an sein Vorhaben erinnerte.
Die Kaufmannsfamilie schien sehr nett zu sein. Es war abzusehen, daß Maria Michaela wohl bleiben würde.