Alternative Buchvariante (EPUB) mit Graphik
Geschrieben: 2003-07-21/08-06
In einer ganz anderen Zeit, die uns in vielem vertraut und in manchem
unendlich weit entfernt zu sein scheinen wird, in einem Reich, welches von der
Natur mit wundervollen Landschaften ausgestattet und dessen Wohlstand
und Reichtum von seinen Einwohnern stetig vermehrt wurde, lebte ein stolzes
Königspaar, welches mit strenger, aber, wie es meinte, gerechter Hand
regierte. Die rechtschaffenen Bürger waren zufrieden und die
oppositionellen Einwohner wagten nichts öffentlich zu sagen. So
herrschte ein tiefer, stabiler Frieden, zumal die schweigende Opposition
nicht groß war und die meisten Bürger die doch recht
traditionellen Wertvorstellungen des Königspaares teilten.
Das Königspaar war auch sehr auf äußeren Anschein
bedacht und auf Etikette, um allen ein Vorbild zu sein und bei anderen
Königshäusern in hohem Ansehen zu stehen. So hatte ein jeder
im Reiche seinen Platz und seine Rolle, ja sein festgelegtes Aussehen
und alles hatte seine Ordnung, weil niemand aus der Rolle fiel, die ihm
zugedacht war.
Das Königspaar hatte auch drei Kinder, zwei Söhne und das jüngste war ihre Tochter Prinzessin Liese, die wir ein Stück ihres Lebensweges begleiten wollen. Natürlich war Liese wie ihre Brüder auch in den Werten ihrer Eltern erzogen worden und hatte ihre feste Rolle im Reiche. Lieses Rolle war eine ganz andere als die ihrer Brüder. Während die Prinzen dazu erzogen wurden, sich durchzusetzen, Macht zu repräsentieren, um später einmal das Reich zu regieren, und alles an Bildung und Wissen erhielten, um die Macht zu erhalten und Land und Reichtum zu beherrschen, sei es im Frieden oder im Kampfe, kam Liese eine andere Rolle zu. Lieses Rolle war mehr die der sittsamen Gesellschafterin, die sich unterhaltsam über Kunst und Kultur äußern konnte und in vornehmer Gesellschaft mit lieblicher Stimme vorsingen und auf zahlreichen Instrumenten musizieren konnte, mit anderen feinen Damen sticken und das Essen für das nächste Fest zusammenstellen mußte, um den Männern nach schwerem Tagwerk mit alledem Kurzweil und Entspannung zu bereiten. Vor allem aber sollte sie lernen, wie sie ihren späterem Ehemann durch ihre wohlerzogene Gesellschaft erfreuen könne und ihm treu zur Seite stehen.
Zwar liebte Liese das Musizieren sehr und auch das Singen, doch tief in ihrem Innern wußte sie, daß es noch viel mehr zu Wissen auf der Welt gebe, was dem Manne vorbehalten war und doch so ungebührlich ihre Neugier weckte. Sie hätte auch gern gewußt, was ihre Brüder so eifrig lernten, hätte sich auch gern einmal im Kampfsport erprobt bis zur Erschöpfung. Und wie war das mit der hohen Kunst der Politik, des Rechnens und der Strategie, doch das gehörte sich nicht für eine Prinzessin, das war eine andere Welt.
Einmal hielt die Königsfamilie mit ihrem Gefolge vor dem Schlosse ein Picknick und erfreute sich an allerhand Gauckelei und Schabernack, da kam eine häßliche Alte daher und wollte den Kindern weißsagen. Der König machte einen Spaß über sie und ließ es lachend zu. Sie sah erst dem Ältesten in die Augen, dann dem jüngeren Bruder und sprach ernst, die beiden würden ein sorgloses Leben haben, wie diese Zweideutigkeit jedoch zu verstehen sei, würden sie durch ihr Wirken selbst entscheiden. Der König lobte ihre Voraussicht, die Zukunft läge in den Händen der Prinzen. Die Königin pflichtete ihm artig bei. Da wandte sich die Alte der Prinzessin zu und schaute wieder mit ernstem Gesicht, daß Liese ein wenig bange wurde. Es war, als spüre sie in dem Blick der Alten den Strudel der Zeit, wie er sie alle unaufhaltsam mit sich fortriß. Die Alte sprach, ihr Weg werde ihr schwer werden, doch wenn sie nur selbst ihr Leben in die Hand nehme, werde sie ihre Chance auf das Glück bekommen. Unzufrieden wieß der König sie hinfort, sie werde immer ein glückliches Leben haben, dafür würden sie und ihr späterer Ehemann mit seiner Ehre einstehen. Gut erzogen werde sie alles haben, was sie zum Glück brauche. Die Alte aber neigte ergeben den Kopf vor dem König, sie habe nichts weiter hinzuzufügen. So war sie entlassen und der König forderte den nächsten Gaukler mit fröhlicherem Programm.
Und so gingen die Jahre ins Land und die Prinzen wurden sorglos
erwachsen, durften wilde Abenteuer erleben und für Tage mit
kleinem Gefolge gar in den großen, düsteren Grenzwald
zur Jagd ziehen. Liese aber lernte im Schlosse, übte und
stickte und half mit, zur Rückkehr der Brüder von erfolgreicher
Jagd das Fest zu bereiten, auf daß deren Mut und Stärke
angemessen gepriesen werden könne.
Jagd nach wilden Tieren war nicht die einzige Beschäftigung, der
die Brüder mit großer Begeisterung nachgingen. Als sie
alt genug waren, gehörte es auch ganz selbstverständlich
zu ihrer Rolle als stattlicher Mann und mächtiger Prinz, den
dienstbaren Mägden und drallen Dienerinnen im Schlosse nachzustellen
und die jungen, unverdorbenen Mädchen in den Dörfern, die
gerade der Kindheit entwachsen waren und in frischer Weiblichkeit
erblühten, zu verführen durch Macht, Charme und edle
Kleidung geblendet. Das war noch eine ganz andere Jagd, die im wilden
Liebesrausch gipfelte, wenn die zarte Jagdbeute zur Strecke gebracht
war. Natürlich war solches Treiben für die sittsam erzogene
Liese ein Tabu, obgleich diese auch alt genug war, um stattliche
Burschen oder gar edle Ritter insgeheim zu bewundern, daß sie
die Freiheit ihrer Brüder beneidete, während sie sich selbst
immer eingeschnürt fühlte in ein Korsett ihrer anerzogenen
Sittsamkeit, in den Zwang ihrer Prinzessinnen-Rolle und der Werte,
die besagten, daß eine Frau in der Beziehung keine Gefühle
haben dürfe und sich aufzuheben habe für die Leidenschaft
ihres späteren Ehemannes, dem offen gezeigte Lust bei der
Frau aber auch befremdlich erschiene.
Liese fand das ungerecht, wenngleich es ihr ohnehin schwer gefallen
wäre, den Brüdern in ihren Lustbarkeiten wirklich nachzueifern,
die ihr ohnehin leer und fast ekelhaft vorkamen so ohne Liebe und
Zuneigung, nach der sie sich so sehnte, die sie aber in ihrer Rolle
auch von niemandem einfordern durfte und konnte. Eine feste Umarmung,
ein Gefühl der Geborgenheit in den Armen eines sympathischen
Burschen oder gar
der Kuß eines Edlen auf Stirn, Wange oder gar Nasenspitze
hätten für sie
den Gipfel der Erotik bedeutet, obgleich sie dieses Wort nicht einmal
deutlich zu denken wagte. Bei der Vorstellung daran allein kam sie sich
bereits recht keck und ungezogen vor.
Manchmal belauschte sie aber ihre Brüder und errötete jedes mal heftig vor Scham, wenn diese gegenseitig mit ihren Eroberungen prahlten, wie sie schilderten, wie sie sich in wilder Liebeslust mit den jungen Frauen wälzten, die sich ihnen offenbar gerne hingaben oder sich über die Wiesen jagen ließen, um sich dann im hohen Gras den edlen Herren zu ergeben und hinzugeben, ihnen zu Diensten zu sein mit ihren Körpern als Objekten der Lustbefriedigung. Sie erzählten, wie sie verführten, umgarnten, bedrängten und lachten berauscht in der Erinnerung des heftigen und doch so flüchtigen Aktes. Sie schauerte bei den Beschreibungen, wie sie sich die Glieder reiben und lutschen ließen, wie sie die Frauen in allen möglichen und unmögliche Stellungen erprobten und sich an ihnen befriedigten. Das nach eigenem Bekunden größte Abenteuer der beiden durfte bei keiner Prahlerei fehlen und dabei schauderte Liese vor Widerwillen am meisten. Sie hatten zehn unerfahrene Mädchen zusammengetrieben - ob mit ein paar Münzen, mit ihrem Titel oder großartigen Versprechungen erzählten sie nicht - und dazu noch eine erfahrene Gespielin für jeden. Sie hießen die Mädchen sich nackt an einem Zaun mit gespreizten Beinen in zwei Reihen aufzustellen, ihnen den Po zugewandt - und dann wetteten sie, wer es zuerst schaffe, seine Strecke zu entjungfern und als Abschluß in die erfahrene Gespielin zu ejakulieren. Liese wollte gar nicht mehr wissen, wer gewonnen hatte, und hielt sich bei der genaueren Schilderung die Ohren zu. Als viel besser empfand sie da die Geschichten, wenn eine Erfahrenere sich auf einen von ihnen hockte, um sie im wilden Ritt fast bis in den Wahnsinn zu treiben und den jeweiligen Prinz gar noch in der Zahl der Orgasmen überbot, weil sie offenbar mit ihren Organen so geschickt war, durch Kraft und Anspannung der richtigen Regionen den Höhepunkt der Prinzen immer wieder hinauszuzögern - was diese aber offenbar auch zu schätzen wußten. Obgleich ihr Wettkämpfe in dem Zusammenhang eigentlich als unangemessen erschienen, amüsierten sie dann doch wieder die Schilderungen der Spiele der beiden mit erfahreneren Freundinnen, wo es darum ging, welcher der beiden Prinzen die seine am schnellsten zu ein, zwei oder drei Höhepunkten bringen konnte.
Die Taten der Prinzen waren weder eindeutig böse noch gut, sie waren sorglos im Umgang mit allen und allem. Weder sorgten sie besonders für ihre Gespielinnen noch sorgten sie sich um irgendetwas, als um ihr Vergnügen. Sie handelten ohne zu denken, was das für Folgen haben möge und lebten in dem Sinne sorglos und man ließ ihnen alles durchgehen, was sie auch anstellten. Liese wußte nun, wie sich die Prophezeiung für ihre Brüder erfüllt hatte und fürchtete ein wenig die Erfüllung der ihren.
Liese war auch sehr begehrt - mit ihren nunmehr gut neunzehn Jahren war sie zu einer prächtigen Frau herangewachsen. Die Sänger priesen ihren Liebreiz und ihre Anmut im ganzen Lande und darüber hinaus. So mancher Verehrer träumte davon, ihre traditionell hochgesteckte Haarpracht lösen zu dürfen und dieses rotblonde Feuer zu entfesseln und sich die Finger daran zu verbrennen oder die Leidenschaft kochen zu lassen. Jede ihrer kleinen Sommersprossen um die Nase herum und auf den Schultern schien zu rufen: "Küß mich! Küß mich!" Doch selbst der Verwegenste hätte niemals so weit zu gehen gewagt. Unweigerlich wäre jeder Zudringliche der Strenge des Königspaares zum Opfer gefallen, welches ihre Tochter immer gut im Auge behalten ließ - insbesondere auf jenen Bällen, wo solche Verehrer verstärkt aufzutreten pflegten. Und wenn es den hochgestelltesten Interessenten vergönnt war, auf den zahlreichen Festivitäten im Tanze ihre zarten, behandschuhten Hände zu halten oder gar ihre schlanke Taille zu umfassen, ihre grazile Gestalt durch den Saal wirbeln zu lassen, so waren sie noch Stunden oder gar Tage vom Zauber ihres Wesens gefangen. Und es ließ so manchen der Tänzer die Sinne fast schwinden, ihren prachtvollen Leib so nahe zu spüren, daß nur noch der dünne Stoff der Kleider sie trennte und mehr spüren ließ, als ein jeder zu träumen gewagt hätte. Und wie sich das erhitzte Gesicht beim Tanzen so bezaubernd rötete und sie den Mund leicht außer Atem etwas öffnete, daß darin mehr Erotik lag, als man es je erlebt hatte. Ihre Kleider waren auch immer von der Art, daß die Verehrer genug sahen, um alles zu ahnen und doch nichts zu wissen. Die schlanke Gestalt, die prachtvollen jungen Brüste und den knackigen Po konnten sie so bewundern und dabei ihrer Phantasie freien Lauf lassen in unerfüllbarer Sehnsucht. Dazu war ihr Tanz unübertrefflich und ihre Stimme so rein und klar, daß einem jeden Zuhörer Schauer der Wonne über den Rücken liefen.
Wenn man sich mit ihr unterhielt, bot sich auch Gelegenheit, sich an ihrer Wortgewandtheit zu erfreuen und der Sicherheit in jedem Konversationsthema, welches für eine Dame angemessen war.Als Gesprächspartnerin lieferte sie mit schlafwandlerischer Sicherheit immer das rechte Stichwort, um die Unterhaltung nicht nur am Laufen zu halten sondern auch geistreich zu variieren.
Ja, Liese war sehr begehrenswert als Frau sowohl als auch als Prinzessin. Doch Erziehung und Stand verboten es ihr natürlich, auf das implizite Begehren ihrer Verehrer auch nur irgendwie zu reagieren, obgleich hinter der Röte ihres Gesichtes beim Tanzen bei diesem oder jenem stattlichen Verehrer schon etwas mehr steckte als nur sportliche Erhitzung. Und vielleicht kam sie dabei wie zufällig ihrem Tanzpartner etwas näher als für einen Tanz notwendig. Ansonsten war ihr Part ganz der der unverfänglichen Konversation ohne Gefühle zu zeigen - und darin war sie Meisterin, denn sie verstand es perfekt zu verbergen, was sie über ihr Gegenüber wirklich dachte und was in ihr vorging, egal ob Sympathie oder Abneigung. Wie von ihr erwartet war sie Fassade, bezaubernd, nett und doch ganz selbstverständlich unnahbar für einen jeden. So war sie trotz der vielen Gesellschaft sehr einsam und sehnte sich, einmal sie selbst sein zu dürfen und nicht die Prinzessin als solche zu repräsentieren.
Wenn sie allein war, schaute sie so manches Mal abwesend in die Weite, wo sie in der Ferne am Horizont den Grenzwald zu erkennen meinte, welcher in seiner Wildheit, Undurchdringlichkeit und Geheimnisfülle immer mehr zum Symbol dessen wurde, was in ihrem Innersten brodelte, aber nicht zu benennen war und nicht zu Tage treten durfte.