Alternative Buchvariante (EPUB) mit Graphik
Geschrieben: 2015-07-15/08-03
Paul erwachte am Morgen noch vor der Zeit, wo er geweckt werden sollte und fand den Platz neben sich leer, was nicht anders zu erwarten gewesen war, jedenfalls sprang er aus dem Bett, ging zur verborgenen Tür und schloß sie ab, kehrte dann ins Bett zurück.
Einmal mehr hatte ihn Gundula mit ihrer impulsiven Art überrascht, sie hatte es wirklich durchgezogen oder auch durchgesogen, oder um im Bilde zu bleiben, hatte ihn ohne Erfahrung und mit viel intuitivem Geschick zu einem wunderbaren Aussichtspunkt ihrer Reise geführt. Aber er sollte ohnehin nicht darüber spekulieren, was für Prinzessin Gundula angemessen war, denn es war ganz klar, daß sie dies eindeutig selbst zu entscheiden pflegte und das mußte nicht immer einfach nachvollziehbar sein und gewiß keinem steifen Protokoll folgen, wobei das Adjektiv bei der Angelegenheit nicht unbedingt in Zusammenhang mit dem Protokoll eine Rolle gespielt hatte. Jedenfalls verstand sie es ganz offenbar, ihn nicht nur bei Laune, sondern auch bei der Stange zu halten und so hatte sie ihn gut vorbereitet, daß er auch diesen Tag man Hofe motiviert angehen wollte.
Nach dem Frühstück zogen Gundula, Paul und die ausgewählten Beamten dann los zu Reginas Haus und die Arbeit begann. Gundula wollte die Übersicht behalten und hatte nur wenige Beamte mitgenommen. Paul bekam den Auftrag, die Verpackung der Bücher in verschließbare Kisten zu organisieren und zu überwachen. Es gab ein Register, Regina war also recht gut organisiert, so mußte man nur notieren, welches Buch in welcher Kiste gelagert wurde und diese Arbeit ging ganz gut voran, obgleich es viele Bücher waren. Gundula widmete sich hingegen mit drei weiteren Beamten den Elixieren und sonstigen Materialien im Keller. Auch da gab es zwar Listen, aber Wirkung und mögliche Interaktion mit anderen Substanzen war nicht immer klar. Mit guten Handschuhen, von denen man die besten in Reginas Keller selbst gefunden hatte, packte man vorsichtig zusammen und kam so auch voran. Hatten sie eine Wagenladung voll, wurde die Arbeit unterbrochen und man fuhr alles zu einer Anlage in der Stadt, bei welcher man eigentlich zur Metallverarbeitung hohe Temperaturen erzeugte. Die Leute dort waren schon instruiert worden und hatten sich darauf vorbereitet, Substanzen unbekannten Verhaltens zu verheizen. Ganz wohl war dabei allen Anwesenden nicht, immerhin konnte auch irgendwas explodieren. So zögerte man.
Schließlich forderte Gundula Regina mit Bewachung aus dem Kerker an. Dieser fiel es zwar nicht leicht, all ihre guten Elixiere selbst der Vernichtung zuzuführen, mußte aber einräumen, daß sie dabei immerhin ihren guten Willen unter Beweis stellen konnte. So machte sie also mit und bald war die Wagenladung sicher vernichtet, wobei sie bei einigen Dingen erst darauf hinweisen mußte, wie man sie beseitigte oder daß das Materialien waren, die man hier und da in der Stadt allgemein verwenden und erwerben konnte, eine Vernichtung also nicht unbedingt notwendig war, weil sie selbst gar nicht gefährlich waren.
So nahm man sie also schließlich mit zum Haus und sie half Gundula notgedrungen beim Sortieren und Aufräumen, so daß auch dies nun schneller voranging. Zur Mittagspause waren sie mit dem Keller noch nicht fertig, aber da brachten sie schon einmal eine Fuhre Bücher zum Turm, wo die Kisten erst einmal provisorisch in einem Raum untergebracht wurden, dessen Tür Gundula wieder sorgfältig mit einem ihrer Schlösser sicherte.
Nach dem Mittag ging es weiter, Regina wurde wieder vom Kerker abgeholt und bald waren sie wirklich mit dem Keller fertig.
Aber dann kam noch der Boden dran.
Das waren meist Dinge, die nicht mehr im täglichen Gebrauch waren.
Gundula untersuchte alles sorgfältig.
Auch hier gab es noch reichlich Bücher einzusammeln.
Nachdem man schon Einiges verstaut hatte, hatte man dann auch Platz genug, um die Dinge zur Seite zu stellen,
die harmlos waren und bleiben konnten, um die Dinge auf dem Boden aufzustöbern, die nicht bleiben durften.
Immerhin wurde man so gerade eben bis zum Abend fertig und dieser Auftrag war erst einmal recht gut erledigt,
als zum einen der letzte kritische Kram vernichtet war und zum anderen die letzten Bücher sicher im Turm verschlossen waren.
So konnte nun auch Regina endgültig in Brunos Obhut übergeben werden und man brachte sie zu dem kleinen Haus,
welches ihnen zugedacht war.
Gundula war zufrieden mit dem Tagewerk. Sie und Paul waren auch ziemlich geschafft. So waren sie auch nicht allzu glücklich, daß es statt eines gemütlichen Abendessens wieder ein Bankett gab, sogar mit anschließender weiterer Veranstaltung. Offenbar waren noch mehr Leute aus der Ferne angereist, um daran teilzuhaben, daß die Prinzessin wieder daheim war. Obwohl oder vielleicht auch gerade weil er erschöpft war, machte Paul dieser Abend eher weniger aus als die vorherigen. Und so wirbelte alles herum in Gesprächen, Plaudereien und es mußte heute auch getanzt werden, was auch daran lag, daß heute weniger Leute da waren, dafür mehrheitlich jüngere, man also mehr Platz im Saal hatte und mehr Teilnehmer mit deutlichem Bewegungsdrang.
Nun war er im Tanzen sicher nicht der Experte, aber Gundula und ihm gebührte der erste Tanz und das brachte er ganz gut über die Bühne, zumal Gundula recht flink und wie von selbst einfach kleinere Ungeschicklichkeiten ausglich. Und Paul war schon alleine deswegen mit der Tanzeinlage sehr zufrieden, als er hierbei seine Geliebte erstmals öffentlich und ganz nach Protokoll in den Armen halten durfte, wenn auch nur gerade so auf Abstand und nicht wirklich innig, wie er es gerne getan hätte, aber solche Tänze schätzte das Protokoll nicht, also ging es im eleganten Schritt auf etwas Distanz über das Parkett. Das ging auch.
Den nächsten Tanz hatte Gundula dem ebenfalls wieder eingeladenen Bruno versprochen, der stolz mit ihr über die Tanzfläche flog und sich als überraschend guter Tänzer entpuppte, so daß diese oder jene Dame kichernd mit ihrer Freundin tuschelte, was verhieß, das Bruno wohl nun endgültig im Rennen war.
Paul hätte das nicht für notwendig befunden, aber offenbar war auch er irgendwie im Rennen, denn er bekam diskret diverse Karten zugesteckt, wen er alles unbedingt einmal zum Tanz auffordern mußte. Es wäre unhöflich gewesen, dem nicht zu folgen, also ließ er sich von Gundula Hilfe zur Seite stellen, um sein Päckchen abzuarbeiten. Da nun auch die Karten der beiden jungen Damen dabei waren, die ihm helfen sollten, mußte auch gar nicht lange gesucht werden. Während er so die Kontrolle über den Kartenstapel verlor, organisierte erst die eine Dame die Einträge in die Tanzkarten der Interessentinnen, dann wechselten sie. So mußte Paul also tanzen, bis ihm schwindelig wurde und weit darüber hinaus drehte er die jungen Damen des Reiches durch den Saal, daß es eine Freude war.
Die jungen Damen aber sortierten geschickt und fair, daß jene jüngsten zuerst dran waren, die mit ihren Eltern zuerst würden gehen müssen, während man hinten noch diesen oder jenen Eintrag zusätzlich zu später Stunde einfügte, wo die älteren Leute meist schon weg waren und zu so später Stunde kaum noch zu umgehen war, daß mal diese oder jene etwas stolperte und ihrem Tanzpartner dabei in die Arme fiel oder von diesem gehalten oder aufgefangen werden mußte.
So hatte Paul bis spät in die Nacht zu tun und mühte sich ehrlich und sogar erfolgreich, keiner einzigen der Damen auf die Füße zu treten, obwohl er sich eigentlich dachte, daß kleinere Fehltritte hier und da ihm vielleicht weniger Interessentinnen und dafür mal eine größere Pause verschaffen könnten, mochte das aber den zarten Füßlein auf den zarten, hübschen Beinen nicht zumuten. So blieb ihm also nichts übrig, als Dame um Dame durch den Saal schweben zu lassen. Zum Glück stellte er fest, daß die meisten doch selbst recht gut tanzen konnten und offenbar gelernt hatten, irgendwie ihre Füße nicht ausgerechnet dorthin zu setzen, wo seine gleich auftreffen würden.
Später in der Nacht mußte er feststellen, daß auch jene jungen Damen, die hatten so lange ausharren müssen, offenbar schon etwas müde waren und unaufmerksamer wurden, stolperte ihm doch so manche versehentlich in die Arme, daß er immer wieder gerade so verhüten mußte, einem gefallenen Mädchen wieder aufhelfen zu müssen, denn das wollte hier sicher niemand sehen. Und die jungen Damen waren recht dankbar für solche Rettung. Zu später Stunde waren sogar zwei so ungeschickt oder doch keck(?), ihm im Moment des Auffangens einen zarten Kuß auf die Wange zu drücken, wobei sie schon recht atemlos seufzten, so erschöpft mußten sie schon durch den langen Tanzabend sein.
Hatte er zunächst noch gedacht, dieser Abend würde besser verlaufen als die vorherigen, hatte er sich getäuscht, immerhin mußte er nicht so viel reden, sich dafür mehr bewegen, an beidem hatte er heute eigentlich keinen so dringenden Bedarf, aber das ließ sich wohl nicht ändern, mit Gundula kamen eben auch Verpflichtungen auf ihn zu, vor denen er sich nicht drücken konnte.
Sehr spät in der Nacht stand er endlich erschöpft und todmüde in seinem Zimmer, als auch schon Gundula leise an der verborgenen Tür kratzte. Schnell ließ er sie herein und ließ sich gleich mit ihr auf das Bett fallen, daß sie beide nebeneinander und auf dem Rücken lagen, die Beine noch über der Bettkante hängend. Gundula lachte und da mußte er auch mit einstimmen, ob er wollte oder nicht.
Als sie sich wieder beruhigt hatten, meinte Gundula: "Oh edler Recke, starker Held und flinker Tänzer,
in euch schlummern ungeahnte Talente.
Daß ihr meinen Füßen sorgsam ausweichen würdet, darauf habe ich stark gerechnet,
aber die jungen Damen sind sehr aufmerksam
und da möchte eine jede gerne einmal von solch einem geschickten Helden durch den Saal geführt werden.
Da war es nicht so erstaunlich, daß ihr schnell so ausgebucht wart, daß für mich gar kein zweiter Tanz mehr frei war.
Nun, zum Glück weiß ich, an welcher Tür ich kratzen muß, um meinen lieben Helden bei der Hand halten zu können."
Damit ergriff sie diese sogleich und führte weiter aus:
"Bei mir ist das Protokoll etwas komplizierter, es ist etwas schwieriger für interessierte Herren,
einen Platz auf meiner Tanzkarte zu bekommen, Reichskanzler und Eltern haben da einige kleine bürokratische Hürden eingebaut,
auf welche ich auch einigen Einfluß habe.
So habe ich den Abend ganz gut überstanden.
Auch jene Herren, die schon wissen, daß sie als Tänzer oder auch sonst sehr begehrt sind,
haben für solche Anlässe spezielle Jacken und Hosen, wo die äußeren Taschen zugenäht sind,
daß man ihnen nicht einfach so Kärtchen zustecken kann, um von ihnen einen Eintrag auf der eigenen Tanzkarte zu bekommen.
Als ich deinen Anzug habe anfertigen lassen, habe ich die Taschen offengelassen,
es wäre unfair gegenüber den jungen Damen gewesen, den Anzug gleich am ersten Abend perfekt auszustatten."
Dabei lachte sie wieder und gab dann dem völlig erschöpften und wehrlosen Paul einen dicken Schmatzer direkt auf die Wange:
"Au wei, mein Held ist komplett fertig, mein armer Held.
Da habe ich mich wohl selbst reingelegt.
Na da kann man nichts machen, das Malheur habe ich mir selbst eingebrockt,
nun lasse ich meinem erschöpften Helden besser eine wenig Ruhe und kuschele mich nur ein wenig an ihn,
um wenigstens noch ein bißchen was von ihm zu haben."
So schmiegte sie sich sanft an ihn und Paul umarmte sie, gab ihr noch einen sanften,
süßen Kuß auf den Mund und sank gleich wieder ins Federbett.
Paul hatte diesen Abend nichts mehr zur Konversation beizutragen und schnell schlief er ein. Auch Gundula hatte der Tag mehr zugesetzt, als sich gedacht hatte und so schlief auch sie bald ein.