Geschrieben: 2014-10-20/11-25
Der Moosweg geht also etwas hinab und hinein in wirklich dichten Nebel. Nur mittig ist wirklich soetwas wie ein Pfad aus Moos und Gras, etwa einen Meter breit, danach wird der Bewuchs zu den Seiten höher und etwas vielfältiger und geht in undurchdringliches Schilf über, wie ich mit einiger vorsichtiger Analyse feststelle.
Ich gehe weiter den Weg hinab und untersuche. Am Rand gibt es ab und einzelne Pflanzen mit ganz hübschen Blüten. Sonst ist nichts Wesentliches zu finden. Ich fühle mich nur nicht besonders wohl in dem dichten Nebel, vielleicht hätte ich doch einen der anderen Wege wählen sollen, aber nun habe ich mich entschieden und untersuche den Weg weiter. Vielleicht ist er ja auch gleich schon zuende.
Ein Stück den Weg hinunter finde ich auf der einen Seite eine grobe Holzbank. Sitzfläche und Rückenlehne sind aus einem längs gesägten kleineren Holzstamm. Das wird nicht sonderlich komfortabel sein, denke ich mir, und probiere es erst einmal nicht, zumal aufgrund des Nebels auch alles etwas feucht ist, das Holz der Bank vielleicht gar glitschig.
So schaue oder besser taste ich mich weiter voran. Es ist offenbar nicht einfach nur eine Bank, die Konstruktion geht weiter, eine massive Befestigung schließt sich an. Dahinter scheint es morastiger, mooriger zu werden. Doch nein, ich habe nun offenbar eine Wasserfläche erreicht, das Schilf hört auf, Wasser beginnt etwas voran. Stark zu fließen scheint es nicht und aufgrund des Nebels ist nicht zu erkennen, wie weit sich das Wasser erstreckt.
Der Moorweg jedenfalls geht aufs Wasser zu. Die Holzkonstruktion wird zu einer Brücke oder einem Floß - was nicht so klar zu erkennen ist, weil ich im Nebel nur kleinere Teile der Konstruktion auf einmal erkennen kann, hauptsächlich Holz und Seile, alles recht großzügig ausgelegt, einen sehr stabilen Eindruck machend.
Mir kommen irgendwie die alten Geschichten in den Sinn mit dem Fährmann, der einen ins Jenseits übersetzt, eine unheimliche, nicht zwangsläufig zuverlässige Gestalt, in einigen Geschichten die Personifikation des Todes. Vielleicht sollte ich dem Gedankengang nicht weiter folgen. Oder sollte ich dem Weg deswegen nicht weiter folgen? Wenn ich gerade ins Jenseits übersetzen sollte, wäre das eine Erklärung dafür, daß ich mich an nichts erinnere und um mich herum alles in dichtem Nebel versinkt, im Vergessen?
Bewegt sich da nicht etwas im Nebel? Ist da solch ein unheimlicher Fährmann? Ich schaue in das trübe Weiß und vermag doch nichts zu erkennen, noch wage ich, etwas zu sagen. Wäre ich tot, könnte ich das wohl kaum noch ändern, also was hätte ich dann noch zu befürchten. Allerdings, wer tot ist, steht auch nicht mehr im Nebel und überquert Brücken oder nutzt Fähren mit unheimlichen Typen drauf. Wer tot ist, ist einfach weg vom Fenster, erlebt nichts mehr. Aus und Schluß, vorbei. Kein Spaß mehr, kein Schmerz, kein Elend, kein Vergnügen, nicht einmal mehr Langeweile und Gleichgültigkeit. Ich aber, der ich nicht weiß, wer ich bin, stehe hier und überlege, denke, existieren offenbar, also bin ich sicher nicht tot. Einfache Überlegungen, Fakten überzeugen mich davon - kein Grund zur Sorge also. Wenn da jemand im Nebel herumhängt, wird es ein ziemlich gelangweilter Zeitgenosse sein, der sich über etwas Gesellschaft freuen sollte.
Ich warte eine Weile, aber es scheint sich nichts weiter zu tun. Vorsichtig trete ich auf die Holzkonstruktion. Schwimmt die wie ein Floß auf dem Wasser oder ist es eine Brücke? Auch wenn es eine Brücke ist, könnte sie ja auf dem Wasser schwimmen. Die Konstruktion aus Holz und Seilen knarrt jedenfalls unter meinem Schritt. Wenn da jemand außer mir ist, sollte das gehört worden sein. Ich halte inne, aber nichts passiert. Also gehe ich weiter über das knarrende Holz, nehme ein Seil in geeigneter Höhe als Geländer. Der Nebel ist auch hier über dem Wasser so dicht, daß ich nicht quer zur anderen Seite gucken kann und auch nicht längs zum anderen Ende. Bald verliere ich auch noch den Anfang im Nebel aus den Augen und unter mir ist nur noch das knarrende Etwas und in meiner Hand ein Stück Seil, welches hinter mir und vor mir im Nebel verschwindet. Ich gehe langsam voran, ganz langsam. Die Konstruktion kann nicht sonderlich breit sein, deswegen versuche ich auch, mit ausgestreckten Armen weiter in die Mitte zu gehen. Ich lasse zögernd das Seil los und gehe seitlich weiter und wirklich, auf der anderen Seite taucht auch ein Seil im Nebel auf. Die ganze Konstruktion ist nur etwas breiter, als man gucken kann. Steht man in der Mitte, verschwinden gerade die Seilgeländer im Nebel. Ein Schritt zur Seite und man erkennt sie wieder. So ist ziemlich klar, wenn ich in der Mitte mit breiten Gang voran gehe, wird mir niemand entgehen, welcher auf der Konstruktion ist, also tue ich dies. Gleichzeitig sehe ich immer wieder nach unten, um nicht plötzlich am Ende der Konstruktion gegebenenfalls ins Wasser zu fallen.
Aber auch das passiert nicht. Es knarrt nur träge und Wasser scheint von unten an die Holzkonstruktion zu platschen. Letztlich erweist sich alles als recht harmlos. Ich erreiche die andere Seite, auch ein Ufer, also war es wirklich eine Brücke. Als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, weiß ich nun, außer mir war da niemand - wozu auch ein Fährmann, wenn es eine Brücke ist. Ich gehe seitlich an der Brücke in die Hocke und versuche herauszubekommen, wie die Brücke konstruiert ist. Tatsächlich scheint sie weitgehend im Wasser zu schwimmen. Die seitlichen Seile spannen sie aber auch etwas, sind also nicht nur beim Überqueren der Konstruktion, die einen recht soliden Eindruck macht, eine Hilfe und ein Vertrauensspender, sondern sorgen auch wirklich für eine größere Stabilität der Brücke.
Auch auf dieser Seite der Brücke gibt es eine Art Weg, links und rechts davon Schilf. Auch hier federt der Boden zunächst leicht torfartig, steigt aber etwas steiler an. Bald stehe ich auf einem Böschungsweg, ungefähr senkrecht zum Weg zurück zur Brücke.
Nun habe ich wieder die Wahl. Die eine Seite scheint langsam anzusteigen. Der ohnehin bereits etwas nachlassende Nebel scheint sich in der Richtung weiter zu lichten. Die andere Seite geht noch etwas hinab in eine leicht dicker werdende Nebelsuppe.
Was also tun? Welchem Weg folgen?