Alternative Buchvariante (EPUB) mit Graphik
Geschrieben: 2014-01-22/27
Paul hatte sich mal wieder einen Tag freigenommen, hatte sich leckere Verpflegung einpacken lassen und war schon früh aufgebrochen, um an einem einsamen See zu entspannen. Es war Sommer und auch die morgendliche Sonne war schon warm und er lag so im Gras und dachte nach, als plötzlich ein Schatten auf sein Gesicht fiel.
Er öffnete die Augen und da stand eine schon ältere Frau. Diese trug etwas eigenartige Kleidung von intensiver Strahlkraft, die aber auch wieder nicht sehr weit reichte. Sie war nicht schön, aber gleichzeitig auch nicht furchterregend, trotzdem irgendwie ganz anders.
Paul richtete sich auf, da sprach die Frau aber schon: "Hallo Paul, es geht dir gut, wie ich sehe,
du entspannst dich recht schön?"
Paul kannte die Frau nicht, daher war ihm unklar, woher sie ihn
kannte, nun, immerhin war er ein Prinz, also schon gut möglich, daß sie wußte, wer er war.
So erwiderte er einfach: "Ja, danke der Nachfrage, alles in Ordnung so weit, keine besonderen
Vorkommnisse. Allein es will mir nicht recht einfallen, woher wir uns kennen."
Die Frau lächelte und erwiderte: "Oh, ich bin Hertha, Fee von Beruf, daher kenne ich dich,
persönlich hatten wir noch nicht das Vergnügen."
Paul nickte, daher also. Die alte Frau wirkte etwas erschöpft und so sprach Paul:
"Hertha, leider kann ich dir keinen Stuhl anbieten, aber hier auf der weichen Decke wäre doch
auch ein guter Platz für eine Pause. Immer Fee ist sicher auch anstrengend."
Paul bot auch zu essen und zu trinken an und Hertha dankte, setzte sich und aß und trank
und lobte die leckeren Getränke und Speisen und die nette Einladung.
So kamen sie ins Gespräch und die alte Hertha kam so ins Plaudern, wie anstrengend und erschöpfend ihre Arbeit sei und manchmal auch so desillusionierend, immer die gleichen Wünsche, selten was Originelles dabei. Und erfüllte sie die Wunsche, dauerte es oft nicht lange und die Leute seien wieder unzufrieden oder fänden einen Haken an ihrem neu erlangten Glück oder noch schlimmer, versuchten ihr in die Schuhe zu schieben, was sie eigentlich selbst verbockt hätten. Oder aber ähnlich schlimm, sie würden ihr Glück gar nicht erkennen oder nicht ergreifen und dann sie dafür verantwortlich machen.
Paul meinte voller Tatendrang und Motivation, das sei doch aber sicher auch spannend, Leute kennenzulernen, von ihren Wünschen und Bedürfnissen zu erfahren und ihnen eine Freude zu machen. Das sei eine verantwortungsvolle und schöne Aufgabe, die sie da habe. Er hänge hingegen nur herum und entspanne, mache mal dies und jenes, aber so richtig spannend sei das nicht.
Hertha würde gerne mal einen Tag entspannen, hier am See liegen oder auch mal baden und den
Tag verstreichen lassen, einfach mal frei sein von nichtigen Wünschen und albernen Leuten, die
ihr Leben nicht selbst in den Griff bekamen.
Halb zum Spaß wohl bot sie an: "Wir können ja tauschen!"
Paul schaute sie interessiert an: "Wirklich?"
"Naja", meint sie, "wenn du willst und nicht zu viel Blödsinn anstellst - sonst fällt das noch auf mich zurück!"
Paul beruhigte, "Nein ich würde nicht wild mit dem Zauberstab in der Gegend herumwedeln und den Leuten noch mehr Probleme einbrocken, als sie ohnehin schon hätten."
Hertha schmunzelte und gab zu, zu gerne würde sie mal einen Tag am See entspannen.
"Also gut!" sagt sie "wenn du willst, tauschen wir!"
"Einverstanden" erwiderte Paul und Hertha stand auf, wedelte einmal heftig mit ihrem Stab und Blitzerazeng
stand sie in der Freizeitkleidung von Paul vor ihm, nun ein recht stattlicher Bursche, der schon beeindrucken könnte und wo schon so manche Dirne mal mehr als einen Blick riskieren würde.
Auch Paul war beeindruckt und stand auf - bemerkte erst jetzt, daß er das elegante Feenkleidchen trug und
eindrucksvoll leuchtete. Er schaute sein Spiegelbild im See an und sah eine wunderschöne, unnahbare Fee
von vortrefflicher Ausstrahlung. Das war so liebreizend und anmutig, daß er unwillkürlich vor dem eigenen Spiegelbild
zurückzuckte. Und wäre er nur ein wenig narzistisch veranlagt gewesen, so hätte er sich augenblicklich unsterblich in sich selbst verliebt. So aber stand er noch ein wenig von sich selbst verzaubert und erschüttert und erholte sich langsam von dem Anblick.
Hertha lachte, das habe ja schon mal geklappt.
Paul war etwas unsicher geworden - ihm läge ja nun eigentlich nicht so viel darin, als Frau herumzulaufen.
Hertha lachte mit dunkler, angenehmer Männerstimme: "Getauscht ist getauscht!"
Paul guckte sie ernst und bittend an "Aber doch nicht für immer!?"
Und das klang so warm, weich und anmutig, daß er vor seiner eigenen Stimme vor Wonne erschauerte.
Hertha grinste "Keine Bange, junger Mann, heute Abend bist du wieder hier und wir tauschen erneut in den Ausgangszustand und sind beide wieder brav in unserer Rolle."
Paul schaute sie an und wies auch an sich selbst herab "Mir scheint, du hast nicht nur getauscht, sondern auch deutlich zu unserer beider Vorteil optimiert!"
Hertha: "Oh, ich gefalle dir also wohl als so ein stattlicher, strammer junger Bursche, was? Und du fühlst dich so wohl
als liebreizendes Feelein, nicht wahr? Vielleicht hat nur der Tausch unser innerstes, eigentliches Wesen zum Vorschein gebracht?"
Paul schaute sie zweifelnd an: "Das soll mein innerstes Wesen sein, und das deines? Bist du dir sicher? Vielleicht war ich ja nicht der Ausbund der Männlichkeit, aber auch so innerlich habe ich mich noch nie als liebreizendes Feelein gefühlt oder als Frau oder dergleichen, ich war mir schon immer recht sicher, ein Junge oder später ein Mann zu sein."
Hertha lachte "Keine Bange, das war nur ein zweideutiger Spaß, wir haben ja getauscht, also wird es wohl eher so sein, daß meine äußere Form deinem innersten Wesen entspricht und umgekehrt mein innerstes Wesen deiner jetzige äußeren Form - oder vielmehr wie sich die gesellschaftliche Norm das wohl so vorstellt - du sollst ja repräsentieren.
Und oh ja - auch ich war einmal eine junge Schönheit mit lockigem Haar und krausen Gedanken, aber die Jahrhunderte gehen auch an einer Fee nicht gänzlich spurlos vorbei. Das Haar wird glatt und grau und die Gedanken reihen sich glatt zu einem nur noch mäßig meanderndem Wellenkamm im Flusse der Zeit.
Aber, wenn du nicht einmal einen Tag ein liebreizendes Feelein darstellen magst, dann bist du auch kein richtiger Mann, der angemessen in das Wesen einer Frau dringen kann, sondern nur ein roher Tölpel, eine Plage für die Frauenwelt!"
Paul erwiderte: "Schon gut, schon gut, ist ja nicht schlimm, ich war nur ziemlich erschüttert, daß ich mich beinahe unsterblich ins eigene Spiegelbild verliebt hätte!"
Hertha war sehr vergnügt dabei und meinte dazu: "Davon rate ich ab, das laß mal lieber bleiben, der Tausch ist nicht von Dauer, diese Erscheinung wirst du dann nie wiedersehen..."
Paul war erleichtert und ruckelte und zuckelte sich erst einmal in seiner neuen Form und Hülle zurecht.
Fühlte sich eigentlich gar nicht mal so schlecht an, dachte er, obwohl er bislang keine besondere Neigung verspürt hatte, Frauenkleider zu tragen oder gar eine Frau zu sein.
"Gibt es denn eine besondere Aufgabe für die Fee heute?" fragte er mit frischem Mut und Tatendrang und vielleicht sogar etwas Übermut und Hertha erwiderte etwas drucksend:
"Naja, auch ein Grund, warum ich heute keine rechte Lust habe.
Da wäre ein kniffliger Fall, eine einfache, arme junge Wäscherin, die einen Traumprinzen abhaben will."
Paul war bereit für eine nicht so einfache Aufgabe und fragte interessiert nach: "Und das Knifflige dabei?"
Hertha gab zu bedenken: "Naja, ohne der jungen Dame zu nahe treten zu wollen, es ist eben nicht so einfach, einen Prinzen zu finden, der gut zu ihr passen würde. Sie will einen starken, tapferen stattlichen Burschen, das Übliche eben. In der Hinsicht sind ihre Vorstellungen eher konventionell,
sonst ist sie aber ganz in Ordnung im Kopf. Wenn sie wenigstens von einem runzeligen, schon älteren geilen Sack träumen würde oder sich auf einen wohlhabenden Kaufmann oder so runterhandeln ließe, so hätte ich keine Bauchschmerzen dabei, aber so weiß ich nicht so recht. Sie ist nett, macht sich aber Illusionen.
Ich will sie da jetzt auch nicht in etwas reinreiten, von daher weiß ich nicht so recht, was ich mit ihr anstellen soll."
Paul brummte, "soso, einen stattlichen Prinz von üblicher Ausprägung, da ist wirklich nichts zu machen?"
Hertha erwidert: "Tja, also Jana jedenfalls, so heißt sie, ist nicht so von üblicher Ausprägung, damit sie einem Prinzen von üblicher Ausprägung vermutlich auf Anhieb gefallen würde. Sie ist eher wehrhaft als angepaßt, gleichzeitig eher zurückhaltend als ein Talent für ausgiebige inhaltslose Konversationen auf Festen.
Und naja, Prinz und Wäscherin? Der wäre an ihr schon kilometerweit vorbeigeritten ohne auch nur etwas von ihren inneren Werten, von ihrer Persönlichkeit zu erkennen. Von der Seite her ist da schon alles in Ordnung, ein aufrichtiges, bescheidenes, fleißiges und loyales Mädchen eigentlich, nur eben nicht darauf vorbereitet, sich mit dem notwendigen Geschick in der feinen Gesellschaft zu bewegen. Sie ist zudem etwas zu einzelgängerisch und für den Durchschnitt nicht als besonders attraktiv anzusehen, ein bißchen verwachsen und unsicher, wie die jungen Dinger eben so sind, die in der Entwicklung sind, nur scheint bei ihr die Entwicklung auch nicht so recht gleichmäßig vorangegangen zu sein und durch ihr schwieriges, bisheriges Leben hat sich das auch nicht so zügig entwickelt, wie man ihr das hätte wünschen mögen.
Man kann sagen, ihre schwere Kindheit hat sie immer gedrückt und verzögert, und nicht einmal gleichmäßig, daß sie sich noch nicht richtig und vollständig entwickelt hat und sie müßte eigentlich raus aus ihrem Schneckenhaus und sich zutrauen zu sein,
was sie im Innersten ist."
Paul: "Also kurz und knapp, ein häßliches Entlein ohne Selbstvertrauen, aber mit gutem, aufrichtigem Herzen, welches Beistand verdient. Und da ist nichts zu machen? Könnte man nicht irgendeinen Prinz auf den Weg bringen, daß er sich mal etwas länger mit ihr beschäftigt, um zu erkennen, was wirklich in ihr steckt?"
Hertha: "Der nächste Prinz von der Ausprägung wäre auf den ersten Blick dein Bruder Günther, aber du wirst einsehen, da wird nichts laufen. Die beiden passen rein gar nicht zusammen. Irgendwas umbiegen führt da eher früher als später zur Katastrophe."
Paul nickte nachdenklich, "Na gut, Günther vielleicht nicht gerade. Mit Wäscherin gäbe es da wohl ohnehin daheim Probleme. Was können wir also tun?"
"Du" meinte Hertha ein bißchen schadenfroh "heute bist du am Zug!" Und sie beschrieb ihm dem Weg zur Waschstelle von Jana.
Paul war nun gar nicht mehr wohl in seinem Feenkleidchen, denn er hatte keine Idee, wie das laufen sollte.
Hertha aber ermunterte ihn gutwillig, nicht vorschnell handeln, ruhig zuhören, vorsichtig die guten Seiten aus dem Mädel herauskitzeln:
"Und falls du schon einmal von den Weisheiten der rollende Steine gehört hast, so haben schon diese versichert, man könne nicht immer bekomme, was man wolle, doch manchmal könne man durchaus bekommen, was man brauche ..."
Manchmal brauche Mann oder Frau auch erst einmal nur jemanden, um sich auszusprechen, den inneren Frust herauszuheulen, das sei oft schon die halbe Miete. Das bringe Jana aus dem Schneckenhaus heraus und ermögliche es ihr, ihr volles Potential zu entfalten.
"Heute bist du der Feenprinz Paula" lachte Hertha also vergnügt "und ich der lebenslustige stattliche Jüngling Herbert, der sich mal eine Auszeit in der Sonne am See gönnt, guter Tausch. Aber," so mahnte sie "du bist ja ein Mann und kennst das ja: bloß nicht überall mit dem Zauberstab herummachen, das wäre gar nicht gut, du weist schon, was Verantwortung ist? Große Macht bringt auch große Verantwortung mit sich, haben die Weisen bereits früh erkannt".
Paul nickte und beruhigte sie, wollte gehen und schon seinen Proviant packen, doch da rief Hertha:
"Hey! Wirst du das wohl mir lassen? Wir haben getauscht!"
Paul sah sie an: "Und ich?"
Hertha: "Stell dich nicht so an. Jeden Tag wirst du im Schloß durchgefüttert.
Auf Zuruf wird es dir vorne reingesteckt und hinten wieder abgewischt.
Da wirst du mir diese Leckereien doch wohl gönnen können und mal einen Tag lang eine anständige, kontemplative, asketische Fee spielen können, ich mache das schließlich sonst immer!"
Paul nickte und reichte ihr wortlos den Proviant und zog dann etwas unsicher davon, um seinen Weg zu machen.
Möglichst würdevoll, kontemplativ und asketisch versuchte er nun daherzukommen, um weiteren Kommentaren zu entgehen.