Alternative Buchvariante (EPUB) mit Graphik
Geschrieben: 2014-01-22/27
Im Königreich lebte auch die junge und arme Wäscherin Jana. Auch sie war eine Einzelgängerin, eine Waise, die sich eben gerade so durchschlug. Sie war eher unscheinbar, klein und nicht besonders schlank, nicht einmal von besonders weiblicher Statur, so daß sich niemand so recht für sie interessierte. Zudem war sie mehr eine Träumerin, die sich vorstellte, daß irgendwann einmal ein Prinz vorbeikommen würde, der sie in die Arme schließen und sie aus Liebe heiraten würde. Doch solcherlei Träumereien vor den anderen Wäscherinnen geäußert, bewirkten nur Gelächter und ungläubiges Kopfschütteln - welche Flausen dies Rumpelstilzchen doch im Kopf hatte - welcher Prinz sollte sich schon nach ihr auch nur umdrehen, so unscheinbar wie sie war, so wenig wie sie dem gängigen Schönheitsideal entsprach. Sie hatte ja nicht einmal einen einzigen, armen Verehrer hier in der kleinen Stadt, während diese oder jene Hübsche doch gleich ein paar aufweisen konnte, die sie stehenden Fußes um den Finger hätte wickeln können.
Jana und ihr Traumprinz - unter den Wäscherinnen wurde das schnell zum Selbstläufer als Witz - kam Jana vorbei, zeigte man nur in irgendeine Richtung und rief lachend "Schau mal, da ist gerade dein Traumprinz vorbeigeritten, wenn du dich eilst, vielleicht erwischt du ihn noch, um ihn mit deinem Liebreiz zu verzaubern." Aber Jana war schlau genug, um nicht zu laufen, verzog nur mißbilligend den Mund etwas und ging kommentarlos weiter.
Was aber die anderen Mädchen betraf, so mußte man sagen, manche hatte auch schon ordentlich gewickelt und mit ihrem Liebreiz nicht gegeizt und mit etwas Glück sprang dabei auch eine Heirat mit einem anständigen Burschen heraus. Mit etwas weniger Glück aber suchte der Auserwählte das Weite und solch ein hübsches Mädchen blieb dann auch gar nicht einmal so selten mit einem Kinde allein zurück - oder sofern sie Geschick hatte, vermochte sie sich mit einem älteren, etwas Wohlhabenderen zu Vermählen, bevor das mit dem Kinde auffiel, welches sie bereits austrug. Manch andere arrangierte sich auch anders, teils auch mit bereits verheirateten Männern oder sogar mal hier und da mit welchen, die bereit waren, zum aktuellen Lebensunterhalt einen einmaligen Beitrag zu leisten.
Und das war auch einer der Punkte, die im Köngreich bislang weniger gut liefen. Während die Männer viel mehr Freiheiten hatten, ihr Leben zu gestalten, maß man das Leben einer Frau doch letztlich immer daran, daß die mit einem erfolgreichen Burschen eine Familie gründete und dieser für ihr Auskommen sorgte oder zumindest den Familienvorstand innehatte, während sie für sein Wohl in aller Form sorgte, wie sich Männer eben so wohlzufühlen pflegten. Da blieb für Frauen kaum Raum, ihren eigenen Weg zu gehen, dieser schien immer schon vorgezeichnet zu sein, wobei sich der Strich für so Manche aber in einem Wirrwarr oder Nebel verlor und sie sich verirrte und verstrickte und nicht herausfand, um der eigenen Linie zu folgen oder dies gar selbst zu malen.
So oder so, ein armes Mädchen in dieser Zeit zu sein, war also kein einfaches Schicksal, ein solches hatte kaum Chancen, selbst etwas aus sich und ihrem Leben zu machen und aus eigener Kraft und eigenem Antrieb heraus wohlhabend zu werden und sich wenigstens nicht darum sorgen zu müssen, am nächsten Tag, geschweige denn im Alter genug zum Leben zu haben. Aus der Reihe zu tanzen, wurde nicht so gut akzeptiert, da war man schnell Einzelgänger und allein. Oder wenn es schlimm kam, wurde man sogar schikaniert oder geschnitten, so war es schon mancher ergangen, die irgendwann allein mit Kind dasaß und dazu nicht den passenden Mann aufweisen konnte. So war es auch schon mancher ergangen, die selbstbewußt ihren eigenen Weg beschreiten wollte.
Auch wenn eine Frau schon ein paar Jahre älter war und keinen passenden Mann vorweisen konnte, galt sie schon als Sonderling und mehr oder weniger gesellschaftlich gescheitert. Bei Männern ließ man das eher durchgehen, egal ob arm oder nicht, die durften auch schon mal flexibler sein und sich mal hier und mal da, bei dieser oder jener Abwechslung und Befriedigung verschaffen. Bei Frauen jedenfalls galt so etwas als unangemessen, jedenfalls sofern es publik wurde.
Janas Chancen jedenfalls auf einen anständigen Mann oder überhaupt einen wurden allgemein als schlecht eingestuft - weder Vermögen noch besonders attraktiv, eher still und geradeheraus statt manipulativ, das sah nicht gut aus.
Jana aber, sonst recht pragmatisch und jemand, der kräftig und zuverlässig zupackte und die für ihre Arbeit durchaus geschätzt wurde, träumte gern von ihrem Prinzen und summte oder sang gern auch mal nicht allzu talentiert dieses oder jenes Liedchen über das Ideal ihres gewünschten Liebsten und die Sehnsucht nach angenehmer Gesellschaft und unbedingter Liebe. Aber im Grunde mußte sie eingestehen, wenn kein Wunder geschah und da nicht ein wirklich feinfühliger Mensch ihr Innerstes entdeckte und schätzte, waren die Karten für sie schlecht verteilt. Warum also nicht wenigstens davon träumen, daß sie auch einmal die Trümpfe in der Hand hält?