Geschrieben: 1990-01-12
ich stehe in trockenem, eisigem nebel und weiß eigentlich gar nicht so recht, wie es mich hierher verschlagen hat. zu sehen ist rein gar nichts, vielleicht noch gerade die hand vor augen, der boden unter den füßen aber auf keinen fall mehr, die hand nur ganz schemenhaft und verschwommen. als ich ein paar schritte gehen will, bemerke ich, wie zäh der nebel an mir haftet, mich aufhält, zurückhält, ja, beinahe an armen und beinen zupft, mich zurückzieht. die füße so schwer, als ginge ich durch einen zähen sumpf. bleibe ich also wieder stehen. ich wüßte auch gar nicht, wohin ich hier gehen sollte.
ich bin müde.
der nebel macht müde, oder ist es die müdigkeit, die den nebel macht?
ich bin so müde, kann mich gar nicht mehr halten, der dicke nebel, der
auf mir liegt, wiegt so schwer, zieht mich zu boden. ich will mich setzen,
einfach nur noch setzen und ausruhen, vielleicht schlafen, doch es geht
nicht, ich kann mich nicht setzen, wie im schwerelosen raum gelingt es mir
nicht, gegen den nebel mit ganzer kraft ankämpfend, die beine anzuziehen,
doch es ist hier keinesfalls schwerelos, im gegenteil, alles wird zur
last, und ich bin müde, so müde, wie der nebel dicht ist, welcher langsam
grauweiß und dämmriger wird.
ich spüre, wie die zeit zähflüssig aus meiner uhr über das linke handgelenk
und den handrücken, den mittelfinger entlangsickert und dann schwer reißend
herabtropft, sekundenweise in exaktem takt, zu winzigen nebelwolken
verdampfend.
zusammenhanglose gedankenfetzen kreisen wirr wie die reste eines atomisierten,
chaotischen universums in meinem kopf. wie kam ich noch hierher?
weiß ich gar nicht mehr, seltsam, der nebel lähmt auch die gedanken,
anfang und ende eines gedankenganges verschwinden im undurchdringlichen
nebel, bevor man noch einen klaren gedanken fassen kann, alles ist träge.
die viskosität des nebels nimmt zu, ja, man meint ihn zwischen den fingern
als schleimiges plasma spüren zu können. ich sollte mich setzen... ach,
das ging ja nicht, hätte ich beinahe vergessen... müde bin ich auch. was
wollte ich noch? was wollte ich noch hier. ich erinnere mich nicht an mein
ziel. ich erinnere mich an beinahe gar nichts mehr. ich weiß nichts.
ich kann mich gar nicht mehr an mein ziel erinnern, schlimmer noch: ich
kann mich nicht erinnern, überhaupt eines gehabt zu haben.
ein dicker, schwerer, weißgrauer nebel umgibt mich, schmutzig und zäh,
weißgrauer nebel, drückt von überall zusammen.
das atmen fällt schwer, als setzte sich der nebel in den lungen fest und
nähme mir die luft. ich bin müde.
ein erinnerungsfetzen schwebt vorbei, ich versuche, mit der hand danach
zu greifen, doch es gelingt mir nicht, bin viel zu langsam, schemenhaft
habe ich nur das gefühl, daß alles geordnet und fertig ist, soweit möglich,
also überhaupt nicht, alles eingeordnet, das erreichbare erreicht, also
gar nichts, und kein ziel mehr vor augen, nur noch nebel, schmutziger,
dicker, einschnürender, zäher, klebriger nebel. ich bin müde, kann
mich aber nicht einmal setzen, mich und die last des nebels tragend.
irgendwie ist da das gefühl, etwas abgeschlossen zu haben, fertig zu sein,
ohne daß sich neue fragen ergeben hätten, neue ziele. keine begeisterung
mehr, nur noch tatenloses zuschauen. die augen brennen von dem schmutzigen nebel, grauer nebel.
ich erinnere mich nicht, es ist alles leer, dumpf und leer und einsam.
alles täuschung und ungewißheit, ziellosigkeit, grauer, schwerer nebel
lastet auf mir.
ich meine, von ferne lachen zu hören, ein hauch von lachen, das lebendige lachen der anderen, ganz leise durchschneidet das fröhliche, lebendige lachen den nebel, und er scheint sogar einen moment geringfügig dünner zu werden. ich sollte jetzt losgehen, in richtung des dünner werdenden nebels, auf das ferne, verhallende lachen zu, welches beinahe klingt wie das flüsternde plätschern eines baches mit frischem, kühlem, belebendem wasser. meinen körper zieht es dorthin, doch die gedanken, das denken steckt fest in diesem grauen nebel, grauenhafter nebel. ich fröstele und sitze fest. was soll ich dort, was wollte ich noch, wollte gehen, war da nicht ein lachen in der ferne? mir war so, als hätte ich etwas gehört, durch den nebel, ich sollte einmal gehen und nachsehen, was dort ist, aus jener richtung kam es wohl, strecke meinen arm aus, mit ganzer kraft den zähen nebel zerteilend. hebe einen fuß, festgesogen in einem sumpf, heben, ziehen, hinaus, ja, so, jetzt den anderen, schwerer grauenhafter nebel, umklammert mich, stecke fest. warum wollte ich eigentlich gehen, bin wie gelähmt, warum wollte ich gehen, kann mich gar nicht erinnern... oder hatte ich ein geräusch gehört, konzentriere dich doch ! tonnenschwere gedanken schiebe ich im zeitlupentempo durch mein hirn, leere gedankenhülsen, bedeutungsloses gedankengerümpel, ein geräusch, aus der richtung was es wohl, ja, ein lachen war da... wollte ich nicht nachsehen, stecke aber fest, kann dann gar nicht nachsehen. vielleicht sollte ich einmal rufen, rufen, das scheint ein guter gedanke zu sein, der nebel preßt mich immer mehr zusammen, grauenhafter nebel...
ich bin müde, dieser nebel, dieser grauenhafte dunkelgraue massive nebel
hindert mich an jeder bewegung, nicht einmal gähnen kann ich, so müde
bin ich... was wollte ich noch? ist alles so schwer, gedankennebel,
woher soll ich denn wissen, was ich wollte... rufen? ja... warum
eigentlich, weiß ich gar nicht mehr, egal, einfach so wohl nur, versuche,
den mund zu öffnen, wie kleister hängt der nebel an mir, ganz dick und
zäh, jede bewegung verwehrend... ich hatte mich entschlossen, den mund
zu öffnen, aus irgendeinem grunde hatte ich mich entschlossen, meinen
mund zu öffnen, das sollte ich jetzt tun, trotz allem. mit aller noch
verbleibenden energie will ich den mund öffnen, konzentrieren, mund öffnen.
wie eine schraubzwinge hält der nebel meinen kopf, meine kiefer zusammen.
müde bin ich, öffne aber doch langsam den mund, müde, ich bin ja so
müde... was war denn noch, hatte ich nicht den mund geöffnet, was
sollte das? der nebel umklammert mich, zerdrückt mich, zerquetscht mich
langsam, ich bin ganz ruhig, ist doch egal, du grauenhafter nebel. ein
röcheln entströmt meinem mund. müde, ein röcheln, zerquetscht mich,
ganz ruhig, ruhig. ja, ruhe, das röcheln in meinem mund wird vom nebel
erstickt...
betonharter schwarzer nebel und ich bin so müde... bin müde, müde,
mü..., ich gedankenfetzen gedankengerümpel gedankeninsel gedankengerinsel...
alles fällt in sich zusammen, ein schwarzes loch dann ein gedankengerinsel
ich falle in ein schwarzes loch falle endloses fallen in die schwarze leere körper zu nichts zerquetscht bin nur noch fallen momentanes fallen in die leere schwarze leere nichts nichts nichts ...