Geschrieben: 1989-07-27
Ob ich ihm helfen könne, frage ich den Mann, als ich wieder einmal in der Stadt bin. Doch so hilflos und scheinbar zögernd der blinde Mann eben noch am Rand der vielbefahrenen Straße stand, von den zahlreichen Passanten unbeachtet, so entschlossen packt er meinen Arm und führt mich sicher und ohne Zögern durch den dichten Verkehr auf die andere Seite und lacht mir dort ins Gesicht: Ob ich ihm helfen könne? Ich? Ausgerechnet ich? - Keiner könne ihm helfen. Dies noch nach kurzer Pause hinzufügend macht er kehrt und tritt auf die Straße. Irritiert höre ich dann den Aufschlag auf Motorhaubenblech nach kurzem Quietschen von Reifen und Bremsen und drehe mich um und gehe zu dem mit seltsam verdrehten Armen und Beinen am Boden liegenden. Er spuckt etwas Blut, wendet langsam den Kopf zu mir und keucht lächelnd: "Siehst du es jetzt? Mir kann keiner helfen...". Der Kopf fällt schwer auf den Asphalt, und Blut sickert aus dem Mundwinkel, Augen, starrer als je zuvor, streifen mit leerem Blick Beine der nun interessiert und begierig, einen Verlierer zu sehen, herbeiströmenden Passanten. Der Fahrer des Wagens steigt aus.
Und plötzlich erkenne ich mich in dem blinden Mann.
Mit dem Fuß kicke ich den beim Aufprall verlorenen Schuh zu ihm hin, mache kehrt und gehe die Straße entlang, ohne mich noch einmal umzudrehen. Während hinter mir die Menschentraube das bisherige Schweigen zermurmelt, glaube ich, meine Fehler zu erkennen, und bin ratlos
wegen
Hand und Auge...