Geschrieben: 2003-03-10/11; 2021-03-07
… na gut, ihr habt ja Recht, es ist schon lange her, daß ich euch ein Geschichte erzählt habe –
da bin ich wohl mal wieder dran.
Mal schauen, was mir da einfällt.
Ihr kennt das ja vermutlich, wenn nicht aus eigener Erfahrung, dann von Personen aus dem Bekanntenkreis.
Insbesondere in der Jugend hat Mann das Bedürfnis zu imponieren, sich selbst zu beweisen, die eigenen Grenzen zu erkunden, ja die eigene Furcht zu überwinden, zu zeigen, daß man(n) keine angst kennt.
Und ehrlich gesagt – mir ist es auch einmal so ergangen, als ich jung war und erst ein paar Raumfahrten hinter mir hatte.
Es gibt ja auch zahlreiche Raumfahrer, die behaupten, sie hätten vor Nichts Angst – und da kann ich nur sagen, daß diese eigentlich für den Beruf des Raumfahrers völlig ungeeignet sind – denn das Universum besteht ja zum größten Teil aus nichts – fast überall ist Leere, Vakuum, Nichts eben – und wer bereits davor Angst hat, hat eigentlich in der Raumfahrt nichts verloren –
zumindest wenn die angst nicht überwunden wird.
Früher nannte man diese Phobie horror vacui.
Heute weiß man längst, daß Nichts, Vakuum für den Menschen wirklich gefährlich ist.
Wo eine Ansammlung von Atomen mit thermischer Energie ist, ist auch ein gewisser Druck.
Der Mensch im Vakuum würde also auseinanderstreben, der Rest auskühlen, unangenehm bis tödlich in kurzer Zeit.
Wie ihr wißt, kann man kleine Löcher im Raumschiff noch bedenkenlos mit dem Finger zudrücken.
Bei größeren wird der Druck zu von innen zu stark, es kann gefährlich werden.
Aber die Gefahr ist gut beherrschbar, man kommt damit zurecht.
Wir haben reichlich Hilfsmittel, um Druck wie Atome ausreichend bei und zu behalten, ohne auszufrieren oder zu zerplatzen – eine feine Sache, denn wer ist schon gerne steif gefroren oder aufgeplatzt?
Sie zu hüten vor den Gefahren des Vakuums, ist unbedingt angemessen, die Angst in Maßen ein richtiges Warnsignal, pauschale Angst ist allerdings übertrieben, kontraproduktiv.
Ja, ganz allgemein ist wiederum das Beherrschen der Angst eine große Kunst – beherrscht man die eigene, sie trotzdem als Warnsignal ernst nehmend, kommt man besser im Leben zurecht.
Beherrscht man gar die Angst anderer, kann man diese bei Bedarf ausgezeichnet mit den eigenen Marotten
terrorisieren.
Doch darauf komme ich gleich noch zu sprechen.
Insbesondere gilt es hier natürlich, die ethischen Implikationen zu reflektieren.
Womit hatte ich angefangen?
Oh ja, die jugendlichen Mutproben.
Unter Raumfahrern gibt es da eine streng verbotene aber doch eine von den mutigsten oder leichtsinnigsten ab und an durchgeführte, bei der wohl auch um die zehn bis zwanzig Prozent der mutprobenden Raumfahrer tödlich verunglücken.
Es geht dabei um den großen Raumknoten von Ayari.
Oh – ihr wißt nicht einmal, was ein Raumknoten ist?
Na, Details sind da recht kompliziert, gründen tief in der allgemeinen Relativistik und sind auch nicht so wichtig für den Fortgang der Geschichte.
Daher mag ich mich nun nicht mit genauen mathematischen Raumzeitbetrachtungen aufhalten, um Phänomene dieser Art in aller Breite, Höhe wie Tiefe zu erläutern.
Sparen wir uns dies – sprecht es bei Bedarf beim jeweiligen Dozenten einer diesbezüglichen Vorlesung über Relativistik mal an, sollte es euch wirklich im Detail interessieren.
Relativisten sollte der große Raumknoten von Ayari ein Begriff sein, daß ist auch eine große theoretische Spielwiese für allerhand Überlegungen, Simulationen.
Hier bleiben wir bei kurzen Grundinformationen, im klassischen Verständnis der Relativistik, welche ganz gut stimmt, sofern man nicht als Raumfahrer zu transformieren beginnt.
Ihr wißt ja, daß die Masse den Raum krümmt und vermutlich auch umgekehrt.
Auch die Zeit ist betroffen.
Besonders viel Masse auf engem Raum krümmt letzteren gar sehr.
Zum Beispiel bei einem Schwarzem Loch gibt es derart viel Masse auf einem Fleck, daß der Raum
so stark gekrümmt wird, daß er in sich zurückläuft statt weiter in die ferne hinaus.
Nicht einmal das Licht findet dann wieder hinaus, wenn es erst einmal zu dicht an eine solche Masse herangekommen ist.
Es muß einfach auf geschlossenen oder sich zusammenspiralenden Bahnen um die Masse herumsausen und ist
gefangen.
Nicht nur der Raum, auch die Zeit wird so arg gebeutelt.
Kurz: in so einer ecke des Universums geht alles durcheinander.
Aber das ist alles noch einigermaßen durchschaubar, wenn man nur weit und breit ein Schwarzes
Loch vorliegen hat.
Bei zwei dicht benachbarten Schwarzen Löchern, die sich wegen ihrer großen Massen rasend schnell
umeinander drehen, werden Raum und Zeit schon richtig heftig durchgequirlt.
Bei jenem Raumknoten von Ayari gibt es jedoch mehrere Paare von solchen Doppelsystemen, so daß sich wiederum Paare umeinander drehen sowie überdies Paare von Paaren – ein richtiges Schreckensballett, ein graziler Tanz gigantischer Kräfte oder im Bilde der Relativistik: Raumzeitkrümmungen.
Zeit und Raum werden dort schon richtig durchgemixt und man wundert sich, daß die Schwarzen Löcher überhaupt selbst noch wissen, wo und wann sie sind – nebenbei bemerkt gibt es eine Theorie, nach der
man davon ausgeht, daß aufgrund von Quanteneffekten die Schwarzen Löcher das wirklich nicht mehr so genau wissen und nur aufgrund dieses Wissensdefizites nicht in chaotischer Weise aufeinander zustürzen können und sich gegenseitig zermixen und zermahlen oder aus dem Knoten hinausschießen können.
Dieses Bild ist natürlich eine gnadenlos vereinfachende Personifikation Schwarzer Löcher, die wissen natürlich nichts in unserem Sinne.
Vielmehr bestimmt die gekrümmte Raumzeit, wie sich Massen zu verhalten haben.
Die Massen wiederum bestimmen, wie sich die Raumzeit krümmt, folglich ist es immer eine gegenseitige Manipulation, welche stets zusammen gedacht sein muß.
Ferner ist die Wirkung einer Masse in der Raumzeit nicht instantan, sie ist retardiert.
Eine Änderung der Krümmung der Raumzeit kommt also in einiger Entfernung erst verzögert an, wobei die Zeit ja auch gekrümmt ist, was es etwas unübersichtlich macht, wann etwas ankommt.
Von dem, was innerhalb des Schwarzschildradius vorgeht, kommt außerhalb klassisch betrachtet gar nichts an.
Nun wissen wir natürlich von den Quantenfluktuationen von Materie wie der Raumzeit selbst, insofern sickert letztlich doch etwas durch, was lediglich durchschnittlich als keine Information zu verbuchen ist, im Rahmen der Unschärferelation ist trotzdem kurzfristig Information vorhanden, welche aber insofern kaum relevant ist, denn dort, wo dies eine Rolle spielen könnte, in der Nähe des Ereignishorizontes, ergeht es Beobachtern bei typischen Schwarzen Löchern derart schlecht, daß sie über die Information sowieso nichts mehr zu berichten vermögen, was in relevanter Zeit in der flachen Raumzeit wieder ankäme.
Allein bei wahrhaften Giganten unter den Schwarzen Löchern könnte die lokale Krümmung am Ereignishorizont derart flach sein, daß Beobachter unbeschadet hineingelangen könnten.
Gleichwohl besteht auch für diese das Problem, daß der Informationsaustausch mit der Außenwelt in den immer langwelligeren Bereich gedehnt wird, von außen betrachtet verhaucht, vergeht die Information von innen also relativ schnell.
Nun bin dich doch wieder kurz in die Relativistik abgeschweift, aber egal.
Weiter.
Aus der Sicht eines Raumfahrers ist es auf jeden Fall extrem gefährlich, durch das Gebiet des großen Raumknotens von Ayari hindurchzutransformieren, denn dabei sollte man ja immer ganz genau wissen, wann man wo ist – und vor allem weit genug weg von solch arg Raum wie Zeit krümmenden Monstern.
Normalerweise macht man also einen großen Bogen um diese Ecke des Universums, nicht so jedoch die
abenteuerlustige Jugend.
Daher entschloß auch ich mich irgendwann, Urlaub zu nehmen und mein Schicksal herauszufordern.
Mit einem nahezu schrottreifen Raumschiff wollte ich die waghalsige Passage wagen.
Zu diesem Zwecke mußte ich mir jedoch erst einmal ein solch altes Raumschiff verschaffen.
Keinesfalls korrekt wäre es ja, ein solches unterfangen mit einem neuen Dienstraumschiff zu wagen, zumal sich mit dem eingebauten Fahrtenschreiber später genau nachvollziehen ließe, welchen Unfug man damit begangen hat.
Ich hatte mir etwas Geld zurückgelegt, um mir ein klappriges Raumschiff in der nähe von Ayari zu mieten, was gerade dort nicht günstig ist, weil die Versicherungen sehr hoch sind.
Immerhin braucht man für das Abenteuer kein modernes Hochleistungsschiff.
Es reicht eines, bei welchen die Grundfunktionen der Transformation verfügbar sind, denn man will ja gar nicht weit weg, man will lediglich hindurch und gegebenenfalls wieder zurück.
Deshalb führte mich meine Reise nach Onu – einem Vielstaatenplaneten von nicht besonders hoher Entwicklungsstufe. Der eigentliche Raumschiffverleih lag allerdings auf einem abgelegenen Mond eines Nachbarplaneten von Onu. Also, die Raumschiffe sind in Orbits angeordnet, denn die Klapperkisten überstehen meist keinen Start oder eine Landung auf einem Planeten oder Mond, um sie zu erreichen, braucht es also einfache Fähren, ein Transfer ist beim Verleih jeweils inklusive.
Onu jedenfalls ist der eigentlich bewohnte Planet dieses Sonnensystems.
Und die dortigen Strukturen haben auch etwas mit unserem Thema zu tun.
Man könnte denken, die gesellschaftlichen Strukturen seien ein Ebenbild des Raumknotens.
Wie bei dem einen die Angst und die Beherrschung derselben eine große Rolle spielt, so auch beim anderen.
Einerseits gab es auf Onu eine globale Organisation, der fast alle lokalen Staaten beigetreten waren, welche eigentlich die Aufgabe hatte, Streitigkeiten zu vermeiden, beizulegen oder zerstrittene
Staaten erst einmal voneinander zu trennen.
Dort gibt es zum Beispiel einen Sicherheitsrat bestehend aus Vertretern verschiedener Nationen, der sich damit beschäftigt, bei Krisensituationen ein einheitliches Vorgehen zu verabreden oder verschiedene Interessen gegeneinander abzuwägen oder besser noch auszugleichen.
Ein beliebtes Mittel der Einzelstaaten, um sich Ärger mit anderen Staaten vom Hals zu halten, war jedoch die hohe Kunst der Abschreckung.
Dabei ging es darum, die Angst zu beherrschen – zum einen die eigene vor den anderen und zum
anderen die der anderen vor einem selbst.
Dazu wurden monströse Waffenarsenale benutzt – kerntechnische Bomben, chemische und biologische Kampfstoffe, was der Erfindungsgeist so an Widerwärtigkeiten hergibt.
Man sprach in dem Zusammenhang auch vom Gleichgewicht des Schreckens, welches mit der Drohung einhergeht, daß man bei der Vermutung, jemand könne einen vernichten wollen, sogleich ein Gegenangriff mit den schauderlichsten Waffen erfolgen müsse, um eine derartig potentiell gedachte Schandtat im Keim zu ersticken, zu unterbinden oder sofern bereits gestartet zumindest zu vergelten.
Dabei war die Idee, nicht wählerisch zu sein, daher bestand eigentlich die größte Abschreckung darin, damit zu drohen, ganz Onu zu vernichten, wenn einen jemand schief anguckt.
Dies erzeugt natürlich Angst davor, daß sich andere Staaten mißverständlich schief angesehen fühlen, bloß deshalb etwas planen könnten, worauf man prophylaktisch reagieren sollte, bevor es zu spät wäre. Um die eigene Angst zu beherrschen, trachteten die Staaten, die bereits solche Waffen hatten, danach, daß die anderen solche nicht entwickeln dürften. Um dies zu erreichen, galt es die Angst dieser Staaten zu beherrschen, was wiederum bei diesen den Druck erhöhte, sich insgeheim mit der Entwicklung solcher Waffen zu beschäftigen oder hinterrücks und unerkannt in terroristischer Art gegen unliebsame Feinde vorzugehen, ohne direkt als Staat oder Person greifbar zu sein.
Als ich dort im Sonnensystem eintraf, eskalierte gerade eine Krise dieser Art.
Ein Problem schwelte wohl schon länger.
Auslöser der aktuellen Krise war aber wohl ein Machtwechsel in einer der Großmächte des Planeten.
An sich handelte es sich von der Idee her um eine Demokratie.
Ein religiöser Fanatiker von etwas einfachem Gemüt war jedoch durch Wahlmanipulation an die Macht gekommen, was im Grunde erst durch das veraltete und extrem unübersichtliche Wahlverfahren möglich wurde.
Die mangelnde Entschlossenheit des politischen Gegners tat ein Übriges.
Das Regime dieses Fanatikers namens G. Strüpp jedenfalls hatte anläßlich eines sehr schlimmen Terroranschlages die eigene Angst nicht mehr im Griff und versuchte dieses durch wilde Drohungen gegenüber einem kleineren Unrechtsstaat zu kompensieren, den man ganz offen mit einem Kreuzzug zum rechten Glauben bekehren wollte.
G. Strüpp gehört zu einer Dynastie von Berufspolitikern, war selbst an sich aber nicht besonders helle, verließ sich vorrangig auf Berater, von denen allerdings eben eine größere Gruppen zu den Religiösen Manipulatoren gehören, also Berater für Staatsangelegenheiten somit gar nichts taugen.
Auch so gerät ein Staat binnen kürzester Zeit in eine dramatische Schieflage, denn wer Religion hat, respektiert nicht notwendig auch die Verfassung, wenn die Religion über diese gestellt wird und ein Konflikt auftritt.
G. Strüpp und seine Schergen suchten also einerseits ein Ventil, um Druck bei sich wie im eigenen Volke durch eine eigene Gewalttat abzulassen, andererseits suchte man schon länger einen Vorwand, um jenem kleinen Staat ordentlich eins drüber zu knüppeln.
In der Folge des Terroranschlages sah man nun die Chance gekommen, das Niederträchtige mit blinder Wut zu verknüpfen, ein Feigenblatt des Opfers tragend zuzuschlagen.
Diesem Staat wurde folglich kurzerhand eine Beteiligung an dem Terrorakt angedichtet und gefälschte Beweise für weitere Schandtaten untergeschoben, da man für die tatsächlichen offenbar keine liefern konnte oder diese Täter selbst einmal versehentlich unterstützt hatte.
Deshalb unterstellte man auch wohl einen tatsächlich vorhandenen Willen zur Entwicklung jener
Schreckenswaffen, war allerdings offenbar nicht schlau genug, um dieses auch zu beweisen.
Mit den Vorwürfen, den echten sowie den gefälschten Beweisen beschäftigte sich jener Sicherheitsrat, der den Überfall auf den kleinen Staat planetenweit legitimieren sollte.
Aber es herrschte keine Einigkeit darüber, einerseits wie das objektiv vorhandene Problem mit dem kleinen Staat zu lösen sei und andererseits hinter vorgehaltener Hand, wie man dem Problem innerhalb jener Großmacht umgehen sollte.
Denn diese war ja angesichts ihres gewaltigen Arsenals an Schreckenswaffen faktisch unangreifbar, jedoch schon deswegen keineswegs unumstritten.
Die Großmacht drohte längst damit, den kleinen Staat gnadenlos mit Krieg zu überziehen, um die eigene
Hilflosigkeit gegenüber der Angst zu kompensieren.
Daher kam für viele einstmals zusammenarbeitende Staaten die Frage auf den Tisch, ob man aufrecht Stellung nehmen sollte gegen die Großmacht oder ob traditionelle Gefolgschaft bei dieser irrwitzigen Aktion angesagt wäre.
Der einzige Grund, warum dieser Staat ausgerechnet jetzt angegriffen werden sollte und kein anderer von denen, wo die Lage ähnlich war, war eigentlich, daß man es bei diesem besonders leicht haben würde
und zudem im Anschluß noch die Rohstoffe dieses Staates ausbeuten könnte.
Rohstoffen waren ohnehin immer ein guter Grund insbesondere für Großmächte, einen Krieg mit kleineren Ländern anzuzetteln, um die Rohstoffe dort anschließend selbst ausbeuten zu können.
Derlei vorgetragene Argumente wie auch die bloß implizierten reichte aber den meisten Mitgliedern des Sicherheitsrates mitnichten für eine Zustimmung oder Billigung des Massakers, zumal die primitiv
gefälschten Beweise auch noch während der Verhandlungen darüber aufflogen.
Diese Peinlichkeit hielt die Großmacht aber nicht von ihrem Weg der Angst ab.
Das Regime des kleinen Staates jedenfalls war nicht geradezu dumm und verfolgte gegenüber dem Sicherheitsrat eine Strategie der widerwilligen zögerlichen Zusammenarbeit.
Das führte dort zu unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten quer durch alle alten
Bündnisse.
Neue Zweckkoalitionen wurden geschlossen und tatsächlich begann der Krieg jener Großmacht mit nur noch wenigen Verbündeten und dem Stillhalten sowie Wegschauen vieler, aber gegen die Mehrheit im Sicherheitsrat und vor allem gegen die Mehrheit der eigenen Bevölkerung.
Es handelte sich um einen Kreuzzug um Religion und Rohstoffe.
Es herrschte Angst und Schrecken.
Trotz ausgefeiltester Propaganda und Kriegstechniken nahm der Krieg kein Ende.
Das lag nun wiederum auch daran, daß man die wirksamsten Waffen gar nicht einsetzen konnte, wollte man hernach doch das Land ausbeuten, zudem insbesondere eine Verseuchung von Nachbarländern durch radioaktives Material sowie Giftgase vermeiden.
Biowaffen sind ja sowieso immer riskant, weil es generell schwierig ist, Mutationen und eine Ausbreitung zur Pandemie zu vermeiden.
Trotz eines gewaltigen Massakers unter den Einwohnern des kleinen Staates war das Regime einfach nicht zu fassen.
Nicht zuletzt die eigenen Verluste führten zu einem aufstand in jener Großmacht.
Das geschundene Land zerfiel in kleinere Machtgebiete, die sich gegenseitig bekämpften.
Derart wurden weitere Teile der Zivilbevölkerung aufgerieben, zernichtet.
Zu der Zeit schon nach der großen Intervention, bereits zu der jener Kleinkriege jedenfalls war ich dort – in jenem Raumschiffverleih wurde die Entwicklung auf dem Planeten mit großer Sorge beobachtet und diskutiert – aber niemandem einschließlich mir fiel eine funktionierende
Lösung zu dem Konflikt ein.
Unter anderem ging stets die Befürchtung um, eine andere Großmacht des Planeten könnte mehr als durch insgeheime Bewaffnung von Truppen eines Lagers in dem nunmehrigen Chaos-Staat mitmischen, dadurch ein nicht mehr regionaler Konflikt aufköcheln.
Einstweilen behakelte man sich einstweilen so in diesem lokal begrenzten Stellvertreterkriegen.
Es herrschte der Schrecken sowie die Angst und der Tod statt daß Angst und Schrecken beherrscht wurden.
Und mir wurde klar, daß man vor der eigenen Dummheit, dem Aufsitzen auf dreiste Lügen oder subtilere Fehlinformationen, Indoktrination und der Dummheit seiner Mitmenschen mehr Angst haben muß als zum Beispiel vor dem Nichts oder sonstigen Gefahren des unbelebten Universums.
Jedenfalls war das nicht mein Kampf – in späteren Jahren mit mehr Lebenserfahrung in ähnlich kniffligen Situationen hätte ich mich eventuell eingemischt, irgendwie für globale Entwaffnung gesorgt, in der Zeit lagen mir derlei Tricks noch sehr fern.
Von der Station aus sahen wir alsdann plötzlich nur die Rauchwolken in der Atmosphäre des
Planeten.
Es war also ohnehin zu spät für eine Intervention von außen.
Heute wissen wir, daß Onu in ein Stadium religiöser Barbarei zurückgefallen ist – Dummheit und Fanatismus sowie unbeherrschte Angst hatten sie dorthin gebracht. Hinzu kam natürlich, daß den globalen Schlagabtausch der Schreckenswaffen auf dem Planeten ohnehin nur relativ wenige überlebt hatten, die meisten Regionen, damit das gesamte Ökosystem schwer angeschlagen war, Bewohner zu größten Teil permanente Strahlenschäden bis in die Nachfahren hineintragen. Tja, Pech gehabt für die Biosphäre des Planeten – jedoch nicht mehr zu ändern. Vorbei. So kann es gehen.
Raumschiffe für lokale Aktivitäten jedenfalls waren in dem Augenblick kaum noch gefragt. Auch deswegen hoffte ich ein Schnäppchen zu erhaschen, ein Schiff in noch akzeptablen Zustand selbst einer etwas kritischeren Betrachtung, dazu noch ganz gut bezahlbar. Inhaber mehrerer Verleihfirmen sannen gerade darüber nach, zu einem anderen System umzuziehen, da galt es, möglichst kurzfristig noch Kasse zu machen, während ein neuer lukrativer Standort gefunden werden mußte, zu welchem die besten Schiffe transferiert werden sollten. Im lokalen System sollte es eher bei einer Zweigstelle für die hier speziellen Herausforderungen bleiben.
Ich hingegen schaute mich auf der Raumstation jenes Mondes erst einmal um und die Ereignisse auf Onu bekam ich lediglich nebenbei mit in den Diskussionen mit den Leuten an Bord der Station.
Mich beschäftigte mehr, wie mir meine eigene kleine Dummheit wohl gelingen könnte.
Weil ich in einem sehr guten Raumschiff gekommen war, witterten die Verleihfirmen natürlich gleich, daß ich etwas vorhätte.
Ferner gab es wohl deswegen gleich erst einmal Schwierigkeiten, das erhoffte Schnäppchen zu ergattern.
Hatte ich mich verspekuliert, weil ich zu offen aufgetreten war?
Hätte ich mehrstufig vorgehen sollen, irgendwo in der Nähe einen anderen Typ von Gebrauchtschiff leihen sollen, um damit hier nach dem Gewünschten für meine Mutprobe suchen, um hier zu verbergen, daß ich ein gutes Schiff hatte?
Unter der Hand wurde ich jedoch in die Wettszene weitervermittelt. Wie ich dann beim ersten Kontakt dort erfuhr, wurde tatsächlich inzwischen systematisch auf derartige Fahrten gewettet. Deshalb sprach ich in der Folge mit einigen Leuten und wir einigten uns nach einigen Verhandlungen und nachdem ich einen Blick auf das mir zugedachte Raumschiff geworfen hatte. Ich beteiligte mich selbst mit einem Wetteinsatz und wurde in der Szene herumgereicht, in der nach einem komplizierten System wetten abgeschlossen wurden, welche auch gewisse Umstände der Fahrt berücksichtigten, wie den Zustand des Schiffes sowie die Dauer der Aktion im Falle des Gelingens, beziehungsweise die Dauer bis zum Erlöschen des Signals vom Schiff beim Scheitern. Daher gab es diverse Nebenwetten, es ging nicht bloß darum, daß die Durchquerung überhaupt gelingen sollte. Über die Wetten konnte so ein Großteil der Kosten für das klapprige Raumschiff für die Fahrt vorfinanziert werden, das war der Trick. Die Wett-Fetischisten hatten Spaß am Voyerismus, am Wettgeschehen. Ich hätte ein Schiff für meine Mutprobe. Damit genug zusammenkäme, um dies zu finanzieren, mußte ich geschickt auftreten. Denn die meisten sowie höchsten Wetteinsätze kommen dann zustande, wenn die Meinungen weitgehend unentschieden sind, ob das Durchqueren gelinge oder nicht. Entsprechend mußte ich mich bei den Vorgesprächen auftreten, schon übermütig, aber nicht geradezu dämlich tun.
Wie ich hier erfuhr, hatten die allermeisten Kandidaten ihr Vorhaben wohl wieder abgebrochen, nachdem sie stärkere Auswirkungen des Knotens auf das Raumschiff zu spüren bekommen hatten. Andere hatten sich nur dicht an dem Knoten vorbeigemogelt, als sie keinen sicheren Zugang fanden. Wieder andere fanden Zugang und waren verschollen. Nur wenige vermochten bislang den Knoten wirklich sauber zu durchqueren.
Nun, ich trat jedenfalls hinreichend überzeugend auf, um genug Zweifler wie Befürworter gegeneinander aufzubringen, um ein reges Wettgefecht anzufachen. Das waren gute Voraussetzungen für die Finanzierung des Vorhabens. Durch ein Abgabensystem konnte nun also wirklich das fragliche Raumschiff aus den Wetten finanziert werden, dieses Schiff war mit entsprechenden Kontrollsendern ausgestattet – geradezu gespickt, um die Reise zumindest außerhalb des Knotens möglichst weit und lange nachvollziehen zu können.
Derlei Sender sind nicht trivial, ebenso wie ein dafür notwendiges System zahlreicher Empfänger, mit welchen die Position relativ präzise aufgrund eines Echtzeitmodells bestimmt werden konnte.
Auf dem Wege gab es zudem noch einen Beitrag, um derlei Modellrechnungen zu verbessern.
Das war in gewisser Weise sogar ein halbwegs glaubwürdiger wissenschaftlicher Beitrag bei der Angelegenheit.
Mit Sonden geht dies zwar teilweise ebenso, jedoch kaum bis in die Tiefen des Knotens hinein, weil dort subtil in zeitnaher Weise auf die lokale Situation reagiert werden muß, um die richtigen Transformationen zu bewerkstelligen, was einer Sonde nicht zuzutrauen ist, Fernsteuerung entfällt dabei sowieso.
Eine weitere Komplikation für Sender sowie Empfänger stellen die Änderungen der Frequenzen durch die Raumzeitverzerrungen dar.
Man muß die Signale im Frequenzraum also erst einmal finden, um eine Trajektorie eines Schiffes im Knoten rekonstruieren zu können.
Allerdings implizieren die Frequenzverschiebungen wiederum selbst Informationen über den zurückgelegten Weg der Signale durch den Knoten, wenn auch eher indirekt.
Der Sender wiederum muß auf verschiedenen festgelegten Frequenzen eindeutige Zeitsignale senden, welche alsdann irgendwann je nach Weg bei den Empfängern ankommen, woraus insgesamt die Trajektorie im Modell näherungsweise rekonstruiert werden kann.
Die Finanzierung umfaßte erst auch mal die Instantsetzung der von mir festgestellten groben Mängel,
mit denen das Schiff zweifellos im Knoten von der Gravitation zerrissen worden wäre.
Bei starker Verzerrung kommt es ja zu verschiedenen Scheinkräften, welche in jedem Punkt es Schiffes etwas anders angreifen, dieses damit allmählich zermürben, im Unglücksfalle geradezu zerreißen.
Im eher trivialen Falle einer radialen Annäherung an ein Schwarzes Loch kommt es ja zum bekannten Phänomen der Spaghettifizierung von Körpern.
In einem Raumkörper wird daraus schnell ein asymmetrisches Aufplustern mit allseitiger Zersetzung.
Wer dies vermeiden will, sollte einerseits ein hinreichend stabiles, kompaktes Schiff verwenden, andererseits einen hinreichend harmlosen Kurs finden, bei welchem der Gravitationsgradient klein genug bleibt, damit das Schiff standhalten kann.
Ich rechnete frischen Mutes, welche Stabilität für die Mutprobe wohl notwendig sei und setzte das dann um.
Im Grunde sind die Kosten für derlei Verstärkungen nicht hoch, kritisch ist vielmehr das Wissen, was wie verstärkt werden muß, damit das Schiff bei derartigen Scherkräften standhält.
Nun, da hatte ich mich im Vorfeld selbstverständlich ganz gut kundig gemacht, daher war ich ganz zuversichtlich, daß mich der Knoten nicht bereits durch die Scherkräfte noch fernab von den eigentlich gefährlichen Schwarzen Löchern zermalmen würde.
Ich war also vorbereitetet.
In dieser Zeit des Wartens, Reparierens und des Festlegens eines Termines für das Unternehmen, lernte ich Uana kennen, die mich wegen meines Mutes und meines tollkühnen Planes sehr bewunderte.
Die junge Frau hatte sich schon einige Zeit auf der Station, insbesondere in der Wettszene durchgeschlagen.
Sie war von Onu hierher gelangt mit Hilfe von Leuten und Methoden, über die sie stets Stillschweigen bewahrte.
Zurück nach hause konnte sie nicht mehr, denn das wäre jene ins Chaos gefallene, nunmehr wohl auch großflächig zerstrahlte wie verseuchte Großmacht gewesen – eine Heimat, die es für sie nicht mehr gab.
Nach anfänglichen Erfolgen – und das war wohl ihre Dummheit gewesen, vor der sie nicht genug Angst gehabt hatte, war sie dann im ewigen Auf und Ab des Glücks in der Wettszene hängengeblieben.
Weil sie von attraktivem Äußerem war, halfen ihr Männerbekanntschaften durch gelegentliche finanzielle Krisen.
Weil sie allerdings auch von schneller Auffassungsgabe war, sah sie recht schnell ein, daß sie das ziemlich schnell in die Prostitution führen würde – davor hatte sie wiederum Angst und suchte nach einem Ausweg aus dieser Lebenskrise, fand jedoch keinen und wahrscheinlich bewunderte sie mich, weil ich einen Weg hindurch durch den Raumknoten zu finden entschlossen war – geradezu das Symbol für eine
ausweglose Situation.
Nun, Uana gefiel mir gut, ein wenig exotisch, ein wenig lieblich, zudem im Gespräch angenehm, sich jedoch keineswegs anbiedernd oder einschleimend – bei mir jedenfalls nicht.
Ihre offene, freundliche Art sowie ihre natürliche Fröhlichkeit zogen mich wiederum an.
Ihr zartes Wesen weckte überdies den Beschützerinstinkt.
Auf dieser Basis kamen wir uns näher und hatten viel Vergnügen dabei.
Unsere fröhlichen Spiele und erotischen Ablenkungen vertrieben die Zeit des Wartens ausgezeichnet.
Dann stand der Termin für den Start fest.
Da bat mich Uana, bei diesem Abenteuer mitkommen zu dürfen.
Sie dürste danach, mit mir den Knoten zu meistern, zu obsiegen über die Widrigkeiten des Seins – jedenfalls in dieser symbolischen Art und Weise.
Ich war dagegen – und so hatten wir in den Tagen bis zum Start noch eine weitere Beschäftigung in Form von heftigen Diskussionen.
Selbst war sie keine Raumfahrerin, insofern für die Wetten in dem Zusammen von keinerlei Relevanz, das wäre also kein Hinderungsgrund gewesen.
Nun, ich wollte sie schlicht nicht unnötig in Gefahr bringen – mich hingegen schon, daß mußte ich durchaus einräumen.
Sie vertraute mir und wahrscheinlich wollte auch sie ihre Angst überwinden, den Knoten ihrer Probleme zerschlagen, einen Weg finden, symbolisch durch den Knoten, tatsächlich durch das Leben.
Wenn es auch durch meine Hilfe geschähe, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, wäre sie sehr zufrieden.
Sie war von diesem Plan genausowenig abzubringen wie ich von meinem und so ließ ich mich von ihr weichklopfen, das es zu zweit doch viel kurzweiliger sein, insbesondere, wenn wir nicht wieder herauskommen sollten.
Wie langweilig, alleine festzustellen, kurzweiliger immerhin, notfalls gemeinsam zusammenstecken zu können.
Das war so gesehen schon einsichtig.
Also willigte ich schließlich ein – pikanter Weise hatte sie mich mitten im Liebesspiel durch Raffinesse und Geschick dazu gebracht, daß ich ihr in dem Moment rein gar nichts
hätte abschlagen können.
Irgendwie hatte ich danach auch etwas Angst vor der Macht der Frau über den Mann, ja der Macht des Sexualtriebes an sich.
Es besteht stets die Gefahr, daß dieser den Verstand ausschaltet und so der Dummheit samt reichhaltigen Torheiten im Gefolge Tür und Tor öffnet, wobei ich auf die Torheit der Mutprobe auch ohne sie gestoßen war, also konnte ich diesbezüglich keine Ausrede gelten lassen.
Allerdings gilt es auch hier, die Kunst zu erlernen, die eigene Angst zu beherrschen, sich zu arrangieren, sich einzurichten im Sein mit allem Drum, Dran wie Drin.
Denn was nutzt einem schließlich der ganze Verstand, wenn man dafür auf jeglichen Spaß verzichten
müßte?
Uana triumphierte und eigentlich freute ich mich ja auch über ihre Gesellschaft auf der Fahrt.
Denn zumindest der lange Weg hin zum Raumknoten und dann der Weg hindurch und anschließend drumherum zurück wäre sonst sehr langweilig geworden, so ganz alleine in einem alten, langsamen Raumschiff.
Ferner machte sie sich schon vorher sehr nützlich, organisierte bei den Vorbereitungen mit, verstand es dabei, daß wir eine ganz gute Versorgung mit einem Generator delikater Speisen in das Schiff eingebaut bekamen. Damit würde es uns unterwegs erst einmal an nichts fehlen, jedenfalls solange der Vorrat reichen würde. In den schon flachen Außenbereichen des Knotens gab es zudem einige Depots zur Notfallversorgung. Insofern muß man im Grunde nur durchkommen, um zu diesen Depots mit ausreichend Nachschub zu gelangen. Diese Depots mit den Vorräten trugen gleichzeitig Empfänger, sendeten ihrerseits Signale in den Knoten aus, welche bei der Orientierung helfen können, also sehr nützliche Einrichtungen für jene törichte Helden, welche sich wie Uana und ich unbedingt hindurchwagen wollen.
Zum vereinbarten Termin starteten wir. Ein teil der Wettszene hatte sich längst aufgemacht, mit einem modernen, schnellen Schiff außen herum auf die andere Seite zu transformieren, um uns dort zu erwarten. Durch den flachen Raum ist das eigentlich mit ein paar Transformationen geschehen, wenn man ein derartiges Schiff hat, also kein großer Zeitaufwand. Im Knoten kann die Raumzeit allerdings derart stark gekrümmt sein, daß von außen gesehen hindurch viel länger dauern kann als entsprechend klassisch drumherum.
Wie schon angedeutet, jener in unserem Raumschiff angebrachte Peilsender sowie einige
Relaisstationen in Form der Depots um den Raumknoten herum verschafften den Wettern jederzeit einen Eindruck davon, wie weit wir gerade waren, solange wir nicht zu tief in den Knoten vorgedrungen
waren.
Innerhalb sind Raum und Zeit allerdings ohnehin so verdreht und verquirlt, daß ein Signal zunächst bloß noch über die Simulationsmodelle Aufschluß über die Position gibt, später nicht mehr Aussagekraft
hatte als zu bestätigen, daß wir noch nicht in ein Schwarzes Loch gefallen waren – aber wegen der Krümmung der Zeitachse war auch nicht einmal mehr das völlig sicher festzustellen.
Was ist schon der praktische Unterschied zwischen komplett weg und für Außenstehende in der Zeit gefangen, welche zwar lokal unauffällig vergeht, von außen betrachtet jedoch mit Annäherung an einen Ereignishorizont faktisch einfriert, die Frequenzen der Signale im fernen Infrarot zerhauchen läßt?
Ist das Schiff also tiefer drinnen, scheint von außen betrachtet die Position des Schiffes also hin und her zu springen, eventuell auch ganz zu verschwinden, zeitlich gedehnt oder gestaucht zu erscheinen, unterschiedlich auch je nach Standort der Empfängerstationen.
Trotz Uanas allzu köstlicher Ablenkungen hatte ich täglich die Sensoraufzeichnungen der Gegend analysiert und mich so vertraut gemacht mit den von außen zugänglichen Informationen über den Raumknoten und war recht zuversichtlich, das Abenteuer zu überstehen.
Garantien gab es allerdings nicht – die Dynamik dieses Phänomens ist doch zu kompliziert, als daß man
davon alles hätte vorhersagen können.
Einige geschickte Routinetransformationen brachten uns in die nähere Umgebung des uns derzeit am nächsten gelegenen Paares von Schwarzen Löchern.
Bereits aus dieser noch sicheren Entfernung meinten wir deutlich zu spüren, wie sich der Raum bog.
Die ersten Stunden hatten wir mit leichter Übelkeit zu kämpfen.
Das alte Schiff aber knurrte laut und widerwillig trotz der von mir vorgenommenen Verstärkungen unter der heftigen Dynamik der Raumverzerrungen.
Immerhin waren wir im Nahbereich einer mächtigen Gravitationswellenquelle, die jedes Objekt zusätzlich zu dem eher statisch zu sehenden Graviationsgradienten abwechselnd in der einen Richtung auseinanderzog und in der Richtung senkrecht dazu zusammendrückte – und das Ganze im nächsten Augenblick wieder anders herum.
Die Vorzugsrichtung ist dabei die Ausbreitungsrichtung der Welle, die Verzerrungen dazu also als Quadrupol senkrecht dazu.
Der Gradient zieht also mehr oder weniger in Ausbreitungsrichtung an der Struktur des Schiffes, die Wellenmangel wirkt senkrecht dazu.
Da war ich froh, dieses ordentlich verstärkt zu haben.
Bloß deshalb hielt es stand, wie ich es berechnet hatte.
Hier, sinnbildlich am Rande des Abgrundes analysierte ich nochmals Signale von Warn- sowie Peilsendern etwas weiter weg und selbst ausgesetzter Sonden auf unserem Weg in den Knoten hinter uns.
Auf dem Rechner des Schiffes schaute ich in dieses Chaos von Raum und Zeit, Gradienten, für welches der Rechner über weitere Bereiche keine numerische Lösung finden konnte.
Einerseits hatte ich Vertrauen zur Transformationstechnologie, andererseits sorgte ich mich anhand der unklaren Daten um Uanas und mein Leben.
Man transformiert nicht ohne fatale Konsequenzen durch ein Schwarzes Loch.
Durch eine normale Sonne – kann man mal riskieren, obwohl das nicht gestattet ist, das kann die Magnetfelder von Sonnen verwirren, Turbulenzen, Sonnenflecken, Eruptionen, Sonnenstürme und mehr auslösen.
Bei einem Neutronenstern würde es noch härter, da gibt es weniger Effekte auf den Stern, dafür mehr für das Raumschiff.
Obgleich man nicht wirklich von einer Durchquerung reden kann, ergibt sich doch immer ein kleiner Schock, welcher am Ende der Transformation eine Art Schütteln nach sich zieht.
Derlei ist bei kleinen Brocken nicht merkbar, bei Planeten ein Kitzeln, bei normalen Sonnen ein Schütteln, abhängig von der Größe des Sterns mehr oder weniger stark.
Aufgrund der Größe und Dichte wird das Schütteln bei Neutronensternen heftig, diese sind allerdings klein, also ist es unwahrscheinlich, diese versehentlich zu treffen, selbst wenn man sie bei einer Transformation übersehen sollte.
Bei einem Schwarzen Loch hingegen ist lokal die Raumzeit zerstört, da kann aus dem Schütteln schnell ein Zerreißen des Raumschiffes werden, trifft man versehentlich ziemlich genau, führt die Singularität zwangsläufig zu einem spontanen Zusammenbruch der Transformation, man würde im Schwarzen Loch hängenbleiben, in diesem spontan zerlegt werden.
Also darf dies keinesfalls passieren.
Dies war mir alles klar.
Was sonst kein Problem für Raumfahrer ist, wird bei einem solchen Raumknoten zur Herausforderung, weil nicht so eindeutig lokalisierbar ist, wie eine Trajektorie verläuft, welches Schwarze Loch also wann wo ist.
Dann tat sich plötzlich sowie unerwartet eine Lücke der Klarheit auf.
Statt des numerisch unlösbaren Wirrwarrs war plötzlich in einer Richtung weit in den Knoten hinein ein einfacher weg zu erkennen.
Im Grunde war das eine Art nahezu flacher Sattel im gekrümmten Raum mit kaum verzerrten Sondensignalen aus nachvollziehbaren Richtungen.
Dies war zwar kein ganz gerader weg, aber eine recht einfache Krümmung ohne drastische Raumverzerrung.
Die maximale Transformationsweite des alten Raumschiffs war sowieso nicht so groß, also ergriff ich
kurzentschlossen diese Chance und führte die Transformation durch – mitten hinein in den Knoten, gerade so weit, daß ich noch Kontakt zu meinen alten Sonden hatte.
Es donnerte wie eine Faust auf das Raumschiff, welches krachte und ächzte und heftig durchgeschüttelt
wurde.
Mit dem normalen Antrieb steuerte ich uns verzweifelt kämpfend immer am lokal kleinsten Gravitationsgradienten entlang, bis alles ruhiger wurde – Stille!
Uana kam nun aus unserem kleinen Schlaf-Wohn-Bereich zu mir und zum ersten Male sah ich echte Angst in ihrem Gesicht.
Sie zitterte.
Ich streckte ihr die Hand entgegen.
Sie kam auf mich zu, ich umarmte sie und hielt sie fest.
Es war entsetzlich – einerseits unser Wissen, in der Mitte des Knotens zu sein, andererseits verhielt sich alles so, als wären wir im absoluten Nichts, in der Leere gelandet.
Wir beide gehörten nun wirklich nicht zu jenen, die vor Nichts Angst gehabt hätten.
Viel bedenklicher war das Geschehen um uns herum.
Denn die Lücke der Klarheit hatte sich wieder geschlossen.
Wir saßen praktisch im Auge des Sturm, auf einem lokalen flachen Extremum der Raumzeitkrümmung mit Gradienten unterschiedlicher Stärke in jede Richtung, aber eben eindeutig hin zu stärkerer Raumkrümmung.
Solch eine kleine Region minimaler Verzerrung ist keineswegs statisch, sie verschiebt sich, insofern kann man sich dort nicht lange aufhalten.
Ich mußte mich folglich umgehend kümmern, wohin es weitergehen mußte.
Wir rissen uns zusammen und ich schickte neue Sonden aus und analysierte, während Uana mir die Schultern massierte, um mich zu entspannen.
Obgleich aufgeweckt, konnte sie mir bei dem fachlichem Problem der Analyse der Raumzeitkrümmungen leider nicht helfen, aber das war auch nicht ihr Anspruch gewesen, als sie mitgekommen war.
Die Daten aus dem Rechner waren unglaublich.
Tatsächlich schienen wir gerade in der Mitte zwischen allen um uns herum rotierenden Schwarzen
Löchern zu sein, die rundherum Raum und Zeit total verquirlt hatten, während wir auf einer Insel der Ruhe ausharrten.
Diese Insel würde allmählich abkippen.
Einstweilen steuerte ich sanft gegen, um auf dem Extremum zu bleiben.
Ich wollte, mußte verstehen, die Raumzeit geradezu erfühlen, intuitiv erfassen, wie sich Fledermäuse vielleicht im Dunkeln ein Bild von ihrer Umgebung per Echolot machen. Nun, ich hatte dafür verzerrte Signale der Sender außerhalb, eine Spur von Signalen von meinen Sonden, dazu nun weitere Spuren der neu ausgesendeten Sonden, welche sich langsam entfernten, je nach Gradient unterschiedlich schnell, mit unterschiedlich verzerrten Signalen.
Allmählich wurde mir klar, daß die Strukturen des Knotens von innen heraus betrachtet recht einfach zu verstehen waren. Hier war es möglich, ein lokales, rotierendes Koordinatensystem zu etablieren, in dem die meisten schwarzen Löcher nahezu in einer ebene rotierten. Senkrecht zu dieser ebene rotierten im größeren Abstand zwei weitere. Wenn diese beiden nun gerade die Ebene der anderen durchquerten, war es für kurze Zeit möglich, ins Zentrum des Knoten zu gelangen – oder von dort wieder hinaus in den ebenen Raum. Meine Angst schwand, der Puls konvergierte allmählich wieder in den normalen Bereich. Ich witterte unsere Chance. Ich begann zu verstehen. Wo allerdings Wissen und Verstehen ist, ist für Angst kein Raum mehr. Jedenfalls wenn das Denken auf dies Wissen, Verstehen, Analysieren fokussiert ist. Ich begriff, daß wir im Moment völlig sicher waren und stellte die Steuerautomatik des Schiffes dahingehend ein, diese Position im instabilen Gleichgewicht zu halten. Wir mußten schlicht abwarten, bis sich das Fenster erneut zur anderen Seite öffnen würde. Prinzipiell hätte man auch jetzt hinausgelangen können, was allerdings deutlich schwieriger gewesen wäre, weil die Krümmungen lokal nur schwierig zu durchschauen waren.
Ich erklärte Uana die Situation und zeigte ihr eine einfache Simulation oder Extrapolation nach meinen Schätzungen aufgrund der Daten der Sonden, wie sich die Raumzeitverzerrungen um uns herum entwickeln würden. Wir mußten in unserem Zeitrahmen gesehen etwa einen Tag warten, dann würde sich jene nahezu ebene Raumpassage eines Raumzeitsattels nahezu genau in der anderen Richtung öffnen und wir könnten ohne Probleme auf die andere Seite des Raumknotens gelangen, wo wir schon als Helden erwartet würden.
Uana lächelte und küßte mich.
Auch sie hatte keine Angst mehr, da sie meinem Wissen vertraute.
Sie fragte, ob ich das zuvor durchschaut hätte, so den Weg hinein gefunden hätte, die richtige Richtung?
Ich schüttelte ehrlich den Kopf.
Zu beginne hätte ich mich nur zufällig genähert, jedoch habe mir die Struktur der Raumzeit schon da ungefähr die richtige Richtung gewiesen, um das Raumschiff aus einer passenden Richtung dem Knoten zu nähern.
Die anfängliche Richtung sei also keineswegs passend gewesen, wir hätten uns mehr oder weniger passend hineingeschlängelt.
Entsprechend seien wir im richtigen Moment in die Mitte gelangt.
Nach der Wartezeit würden wir in der anderen Richtung wieder an den Rand gelangen, dort einen ähnlichen Bogen schlagen, um zum gewünschten Endpunkt der Durchquerung zu kommen, um das Raumschiff mit der Wettgemeinschaft dort zu treffen.
Wir waren mit dieser Erkenntnis sehr zufrieden, konnten Pause machen, die Wartezeit anderweitig nutzen. Wir hatten phantastischen Sex an diesem bizarren Ort – unsere Lust schien die Zeit zu dehnen oder zu kontrahieren, bis wir erschöpft einschliefen. Der von mir vorsorglich eingestellte Schiffswecker rief uns pünktlich aus unseren Träumen zurück, Wir aßen, machten uns fertig für den Rückweg. Ich setzte mich wieder an die Steuerung, um die Transformation vorzubereiten.
Uana saß neben mir, der Raum um uns klarte auf.
Signale der Peil- und Warnsender von außerhalb waren wieder identifizierbar, die Verzerrung wurde also schwächer, weniger verquirlt, einigen Raumrichtungen zuzuordnen.
Ich startete die Transformation hinaus.
Das Schiff kreischte wild auf, verzog sich einem Moment lang furchtbar.
Wieder im äußeren Raum, also schon noch in der Nähe des Knotens, jedoch bereits jenseits der Zone massiver Verquirlung, wurde uns wieder arg übel – der Raum war hier noch längst nicht eben, es gab relevante Gradienten, denn nun waren ja alle Schwarzen Löcher hinter uns.
Der sich wieder schließende Knoten verdrehte hinter uns bereits wieder den Raum.
Aber ich mußte verharren, um die nächste Transformation zu berechnen.
Dann war es so weit – und los hinaus in den ebenen Raum!
Dann war es geschafft!
Die nächsten Transformationen waren harmlos, führten uns in einem nahezu eleganten Bogen in die gewünschte Richtung.
Am Ziel angekommen wurde uns ein triumphaler Empfang bereitet, denn wir hatten uns unserer
Angst nicht nur gestellt, nein, wir hatten sie durch Wissen und Geschick überwunden und besiegt.
Ich jedenfalls hatte meine Lektion gelernt – nicht nur die Angst betreffend, sondern auch den Raumknoten betreffend – auch da war nicht alles so, wie es schien.
Mit der richtigen Perspektive konnte man verstehen, was von einem ungünstigen Standpunkt aus mit einem unvorteilhaften Blickwinkel noch schier unmöglich erscheinen mußte, ja, was einem einen Knoten ins Hirn zu winden schien, was die Gedanken zu verwirren geneigt war.
Ich hatte das Raumzeitgefüge mit meinem eigenen Verstand geordnet, hatte meine Angst beherrscht und einen Ausweg gefunden.
Ich fand, man feierte mich zurecht als einen Helden, einen Giganten der Raumfahrt nach dieser Eskapade.
Wie sich herausstellte, war ich zudem der einzige, der sein Ziel bereits wenige Stunden nach dem Aufbruch erreicht hatte, außerdem mit einem Raumschiff, welches nach der Reise noch im gleichen Zustand war wie zuvor.
Bisherige erfolgreiche Wagemutige hatten den Ausweg erst nach Wochen bezogen auf die flache Raumzeit, nach Monaten gemessen in Eigenzeit durch Zufall in einer Notkapsel gefunden, andere eben nie oder hatten ihren Versuch abgebrochen, ohne überhaupt in den Knoten gelangt zu sein.
All diese hatten nicht verstanden, hatten nicht den richtigen Moment abgewartet oder erwischt, um den Knoten intellektuell zu durchdringen.
Wer ihn jedoch nicht verstanden hat, kommt allenfalls irgendwann mit Glück wieder heraus.
Wobei ich schon vermutete, die allermeisten waren nie im Zentrum angekommen, sie waren auf anderen Wegen durch den Knoten mäandert, ohne zum Kern zu gelangen.
Dann ging es ans Abschiednehmen.
Ich hatte ja mitgewettet, konnte also einen ansehnlichen Gewinn einstreichen.
Uana hatte noch gewagter gezockt, hatte somit ebenfalls einen erheblichen Gewinn erzielt, mangels guter finanzieller Ausgangsausstattung allerdings in überschaubarem Rahmen.
Immerhin hatte sie alles auf eine Karte gesetzt und damit obsiegt.
Damit hatte sie nun einige Mittel, um ihr Leben besser selbst zu gestalten.
Auch Uana hatte ferner ihre Lektion gelernt – sie wollte auch aufbrechen und Wissen erlangen, lernen, selber
eigenverantwortlich zu handeln, statt von Angst und Not getrieben zu werden, von anderen ausgenutzt und ihrer Dummheit wie ihrem Eigennutz ausgeliefert zu sein.
Ihr Heimatplanet diente ihr als Mahnung, auf der Hut vor Manipulationen zu sein und mitnichten alles zu glauben und geschehen zu lassen, was andere sich in ihrer Naivität so ausdachten.
Sie entschloß sich, gleichfalls in die Raumfahrt zu gehen.
Dies traute ich ihr unbedingt zu.
Also nahm ich sie mit, transformierte mit ihr zum nächsten Ausbildungszentrum, wo sie wenige Tage später wirklich den Aufnahmetest bestand und ihre ersten Kurse begannen.
Ich blieb noch etwas und wir hatten noch ein paar köstliche Nächte miteinander.
Wie sie mir gestand, hatte sie nicht bloß auf eigene Kappe Wetten abgeschlossen und wie erwähnt ebenfalls gewonnen, sie bat ferner mich um Verzeihung, weil sie mich ursprünglich zu diesem Zwecke
kennengelernt und verführt hatte, um die Chancen gut einzuschätzen, auf was sie setzten sollte.
Je besser sie mich jedoch kennenlernte, um so mehr fand sie Gefallen an mir und meiner Art.
Selbstverständlich verzieh ich ihr.
Wir legten nun erst unsere Gewinne zusammen und teilten in gleiche Teile.
Später sollte Uana unter ihrem neuen Namen Osfaga bekannt werden, die euch sicher als große, intelligente, verwegene und raffinierte Raumfahrerin bekannt ist.
Sie entschloß sich, diesen neuen Namen anzunehmen, um nicht immer an ihre Heimat erinnert zu werden, die noch heute im Stadium der religiösen Barbarei verstrahlter, vergifteter Agonie verharrt.
Ein Kontinent voller Schrecken, Angst und Dummheit auf einem in seiner Handlungs- und Entwicklungsfähigkeit gelähmten Planeten.
Wo kritische Forschung, Wissen und Weisheit durch Populismus, Glauben und Fanatismus ersetzt wird, da ist man fern jeder Hoffnung, Rettung und Perspektive.
In der absichtlichen Lüge über die Welt findet sich langfristig kein Weg aus den Krisen.
Derlei führt immer nur weiter hinein in den Sumpf der Irrung, den Knoten im Kopf.
Damit genug für heute – und sagt jetzt nicht: Gnor, das war schon alles?
Was wollt ihr mehr?
Ich lernte, mit meiner Angst umzugehen.
Am meisten Angst hatte ich immer vor meiner oder einer eigenen Dummheit, wovon diese Mutprobe sicherlich eine der größten war – doch auch damit wurde ich bislang immer fertig, indem ich zur kritischen Zeit zum Nachdenken zurückfand, letztlich einen kühlen Kopf bewahrte und mit Wissen, Analyse der Angst ihre Substanz nahm.
Man darf auch nicht resignieren und glauben, daß es keinen Ausweg aus der Angst gibt, selbst wenn eine Situation, eine Krise noch so verworren, verknotet zu sein scheint.
Von einem geeigneten Standpunkt aus gibt es immer einen Weg – er mag längst nicht immer zum gewünschten Zeitpunkt zum gewünschten Ziel führen, doch wird es immer einen Weg geben, der weiter
führt als die Stagnation in der Angst, im Irrationalen, Undurchsichtigen, im Glauben. und wer glaubt, die Angst anderer beherrschen zu können, auf den wird die Angst irgendwann furchtbar zurückfallen, denn es ist ja immer die Angst, die man selbst kennt, die man auch anderen antun kann.
Verstehen hingegen resultiert auch aus der Kunst, im richtigen Moment die richtigen Fragen zu stellen, sonst ergibt alles keinen Sinn, erscheint verknotet, verworren, unauflösbar verzwickt, was mit der richtigen Perspektive, den richtigen Fragen erst klar wird …
Alsbald Freunde, ein anderes mal vielleicht mehr von mir, Gnor, dem großen Raumfahrer, wie ich genannt werde, obwohl ich ja gar nicht denke, daß ich wirklich derart groß bin, bekannt schon, aber geradezu groß?
Nun, ist ja auch egal …