Geschrieben: 1989-12-14; 2021-02-07
Was, schon wieder soll ich erzählen, nun gut, heute aber nichts Tiefsinniges, eher etwas aus dem täglichen Leben.
Also, auf einer meiner Reisen, welche in diesem Zusammenhang gar nicht wichtig weiter zu erläutern ist, landete ich, um Zwischenstation zu machen, nein, eher weil ich gar nicht gewußt hatte, daß jene Sonne ein Planetensystem hatte, und ich neugierig war, auf einem lebensgünstigen Planeten. Dieser war nirgends verzeichnet, was mich neugierig machte, denn ich bin an sich gerne neugierig und forsche bei solchen Gelegenheiten gerne mal nach. Auf diesem Planeten weilte, wie sich alsbald herausstellte, der große Elms. Das war jedenfalls eine faustdicke Überraschung selbst für mich, der ich doch so einiges kenne und bereits erlebt hatte, viele Leute kenne.
Bitte?
Ja, genau der Elms, der geheimnisvolle Weise und geniale Geschichtenerzähler.
Ihr kennt ihn doch alle?
Fein, kann ich also weitererzählen, wie ich Elms kennenlernte, was sich ereignete auf jenem geheimnisvollen Planeten …
Ich umflog den Planeten also ein paarmal, um einen günstigen Landeplatz zu finden. Dabei entdeckte ich, schon im Landeanflug, eine schlichte kleine Hütte, flog kurzentschlossen noch einmal um den Planeten herum und landete dann in unmittelbarer nähe dieser Hütte, denn sonst hatte ich beim Überflug zwar tolle Landschaften, wilde Natur gesehen, aber ansonsten keinerlei zivilisatorischen Befall, was ziemlich bemerkenswert ist, selbst für eine abgelegenere Ecke unserer Galaxis, wenn es sich um einen Planeten mit derart lebensgünstigen Bedingungen handelt. Ich stieg aus und ging auf jene Hütte zu und klopfte einfach einmal. Von drinnen antwortete ein beiläufiges Brummeln, was ich als Erlaubnis einzutreten deutete, also tat ich dasselbe.
Vor einem großen schwarzen Kasten sitzend, völlig vertieft, störte ich ihn damals, etwas irritiert und abwesend schaute er, der berühmte Elms, nun doch aufmerksam auf, immer diese Störungen, nirgends habe man seine Ruhe, brummte er, was ich denn wolle, Presse, Fernsehen, Nachwuchsschriftsteller, Fan oder hoffnungsvoller Verleger?
Worauf ich den Kopf schüttelnd meinen Namen nannte, Gnor sei ich.
So, sagte er, Gnor, der große Raumfahrer.
Ja, Gnor wiederholte ich, ich sei nur zufällig vorbeigekommen, wollte nur sehen, wer denn hier so alleine auf einem mir bisher noch unbekannten Planeten lebe.
Natürlich sei mir dieser Planet nicht bekannt, stellte er fest, doch von alleine könne keine Rede sein, auch wenn das so aussehe, man könne das nie so genau wissen, in dem schwarzen Kasten dort sei das Universum, denn selbstverständlich seien im Kasten ganz andere Dimensionen, also kein Grund, zweifelnd die Nase zu rümpfen, packt man Dimensionen richtig, paßt viel in solch einen Kasten, selbst ein ganzes Universum.
Die Kunst des Dimensionenfaltens sei älter als Origami, allerdings weniger bekannt.
Jedenfalls, wie könne er da alleine sein, wenn es diesen Kasten gäbe, nein, nein, sein Problem sei, ob er nicht selbst in einem solchen Kasten irgendwo stecke und dieser Kasten wieder in einem Kasten und so fort ohne Ende, das sei doch möglich, und er wisse nicht, wie er das unterbinden könne.
Natürlich, stimmte ich zu, möglich sei vieles, ob er denn Angst habe, daß jemand einen der
potentiellen Kästen zerstören könnte, in denen er eventuell stecke.
Nein, nein, ihn beunruhige vielmehr, daß es eventuell überhaupt solche Kästen gäbe, seinen eigenen wolle er wahrscheinlich bald ausschalten, um darin nicht noch andere ins Grübeln zu bringen ad infinitum.
Doch sei damit das Problem nicht gelöst, wagte ich einzuwerfen …
Nein, natürlich nicht, räumte Elms unumwunden ein, aber er fände es nicht fair dem Inhalt des Kastens gegenüber, ihn nicht abzuschalten, schließlich, was da alles passieren könne.
Eventuell irgendwelchen Kreaturen – so können man sie in dem Falle wohl nennen, denn er selbst habe ja den Kasten konstruiert, damit implizit auf die Kreaturen darin – eine Existenz zuzumuten, sei eine heikle Sache, das könne diese erzürnen oder gar noch zu religiösem Wahn oder Revolution verführen, wenn sie von dem Sachverhalt erführen.
Ich versuchte zu beruhigen, vertrat die Ansicht, Lebewesen würden in überwältigender Mehrheit Existenz der Nichtexistenz vorziehen, sonst gäbe es gar keine Evolution.
Elms schaute mich an, zog die Stirne kraus, erwiderte, das sei alles noch gar nicht so schlimm mit den potentiellen Lebewesen in dem Kasten, allenfalls ein nebensächliches Problem für ihn.
Viel wichtiger sei ihm folgende Überlegung: Selbst wenn er nicht selber in einem solchen Kasten stecke, woher könne er denn wissen, daß diese Welt wahr sei und nicht nur ein Traum in einem Traum aus einem Traum eines nur geträumten Träumers.
Er sei wohl ganz traurig, daß er nicht wisse, wie er aus so vielen verschachtelten Träumen
zurück in die Realität finden sollte, wenn er darin derart verfangen wäre.
So direkt könne man das nicht sagen, doch vielleicht könne man gar nicht zurückfinden; einmal in Träumen verstrickt, sei die Realität substantiell gar nicht mehr von Träumen unterscheidbar, denn wie solle man wissen, ob sie nicht einfach nur ein weiterer Traum sei und immer so weiter.
Ja, die Welt sei schon hart aber ungerecht, warf ich ein, doch er schüttelte den Kopf, das könne man nicht wissen, kenne man sie doch letztlich wahrscheinlich gar nicht vollständig.
Elms wandte sich langsam von mir ab und dem Kasten zu, schaute hinein und schüttelte wieder abwesend den Kopf, leise murmelnd, schon wieder etwas schiefgegangen, immer diese Störungen …
Ich wollte schon gehen und sah noch gerade, wie er mit Hilfe eines erst jetzt sichtbar werdenden Bildschirms in den Kasten schaute, einen Manipulator ergriff sowie damit in dem Kasten zu agieren begann.
Auf dem Monitor sah ich jetzt einen Planeten, ganz ähnlich dem des Elms, auf dem ich mich gerade befand.
Der Planet wurde größer, ja, alsdann sah ich schon neben einer Hütte ein Raumschiff, welches zudem meinem ziemlich ähnlich sah.
Daraufhin erkannte ich durch die Tür der Hütte mich selbst und im Hintergrund Elms, wie er gerade den gleichen Bildschirm aufmerksam betrachtete, in dem wieder ich in einer Tür stehend zu sehen war und im Hintergrund Elms, wie er gerade einen Bildschirm aufmerksam betrachtete, in dem wieder ich … et cetera, et cetera, et cetera, ad infinitum, so weit man sehen kann.
Durch eine geringfügige Verkippung wirbelte schon ein Teil des Bildes aus Ehrfurcht vor der Unendlichkeit.
In dem Kasten agierte Elms mit einem Manipulator.
In dem Moment ergriff mich wie aus dem Nichts von hinten eine kräftige, aber unsichtbare Hand oder Klaue, zerrte mich rückwärts zu meinem Raumschiff, stopfte mich hinein und schleuderte das Raumschiff in den Raum hinaus, daß ich noch zur gleichen Stunde ohne Zeitverlust durch den Aufenthalt auf dem Planeten des Elms am Ziel meiner eigentlichen Reise war, wovon ich euch vielleicht ein anderes Mal erzählen werde.
Elms aber besuchte ich nicht wieder, las nur viele seiner Geschichten, doch in der Geschichte mit mir hatte er sich offenbar in der Realitäten vergriffen. man stelle sich vor, er hätte aus Versehen sich
selbst gegriffen!
In einer seiner eigenen endlosen Schleifen wären wir alsdann steckengeblieben.
Was wäre mit dem Universum passiert?
Wäre es von solch einem Bildschirmwirbel der Widersprüchlichkeit verschlungen worden?
Hätte sich alles spontan in ein Logikwölkchen aufgelöst?
Nicht auszudenken, was hätte passieren können.
Was sagt ihr, das sei doch gar nicht möglich?
Wer kann das so genau wissen?
Sind wir nicht alle vielleicht nur Figuren eines Traums in einem Traum eines von Elms erdachten Träumers in einem Kasten in einem von den vielen Kästen, die in Elms großem schwarzem Kasten stecken mögen?
Was, wenn Elms nur träumt, daß er träumt, er sei der Elms, der träumt, er sei der Elms, der nur träumt, er sei der Elms mit dem schwarzen Kasten und so weiter und von vorn?
Lest nur ein paar von seinen Geschichten, vielleicht erzählt er in irgendeiner Geschichte von Gnor, wie er eine Geschichte über den großen Elms erzählt, zuzutrauen wäre ihm das, ihm, oder irgendeinem anderen …